SZ +
Merken

Stützen für die Hauptstadt

Die Jahrhundertflut ließ auch Jubiläen bedeutungslos werden. Eigentlich hätte die Feier zum 75. Geburtstag der Dresdner Brückenbauwerkstatt der Bahn schon im vergangenen Oktober über die Bühne gehen müssen.

Teilen
Folgen

Von Thilo Alexe

Die Jahrhundertflut ließ auch Jubiläen bedeutungslos werden. Eigentlich hätte die Feier zum 75. Geburtstag der Dresdner Brückenbauwerkstatt der Bahn schon im vergangenen Oktober über die Bühne gehen müssen. Doch vor sieben Monaten hatte die Belegschaft keine Zeit zum Feiern.

Bier statt

Hochwasser

„Damals haben wir rund um die Uhr gearbeitet“, sagt Bernd Hameister. Er ist Leiter des Geschäftsfelds Ingenieurbau und somit eine Art oberster Chef des Dresdner Werks. „Die Flut hat uns einen Auftragsschub gebracht“, stellt er fest. Noch heute sind die Brückenbauer mit Reparaturarbeiten – etwa an der arg gebeutelten Bahnstrecke im Müglitztal – ausgelastet. „Wir mussten andere Projekte liegen lassen“, sagt Hameister.

Am Freitag jedoch war etwas Luft: Bei Gegrilltem und Bier feierten die 60 Beschäftigten, Ehemalige und Bahnchefs den runden Geburtstag nach. Und daher wurde das, was als Spezialität der Dresdner gilt, in der mehr als 100 Meter langen Montagehalle nördlich des Neustädter Bahnhofs einfach zur Seite geräumt: Ein rund 30 Meter langes Exemplar einer stählernen Ersatzbrücke wich Bierbänken, Tischen und recht langatmigen Reden.

An anderen Werktagen tönen härtere Klänge durch den gigantisch anmutenden Raum. Es wird gehämmert, gefräst, geschweißt und gebohrt. „Die Ersatzbrücken kommen meist zum Einsatz, wenn ein bestehendes Bauwerk saniert wird“, sagt Hameister. Oder eben nach einem Hochwasser. In nur 19 Tagen errichtete das Team erst eine eingleisige Hilfsbrücke über die Mulde bei Eilenburg. Dann folgte eine neue Flussüberquerung – die so genannte Schottertrogbrücke. Im flutbedingten Einsatz sind die Dresdner Arbeiter auch in Röderau, der sächsischen Schweiz und entlang der Strecke zwischen Borsdorf, Döbeln und Coswig.

Das Werk auf der Lößnitzstraße zählt seit 1993 zur Bahntochter DB Bahnbau. Gegründet wurde es im Oktober 1927 als Brückenmeisterei. Schon zwei Jahre später ergatterte das Unternehmen einen spektakulären Auftrag: An der Elbe wurden die Brücken für die Schmalspurbahn zwischen Hainsberg und Kipsdorf gefertigt. Nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg nahmen bereits im Mai 1945 rund zwei Dutzend Stahlbauer die Arbeit auf, neun Jahre später formierte sich der Betrieb als Brückenwerkstatt Dresden neu. „Im Rahmen sozialistischer Bruderhilfe wurden damals sogar Brücken nach Vietnam exportiert“, sagt der heutige Oberbauleiter Jürgen Höfer. Diese gibt es mittlerweile nicht mehr, doch bestimmte Vorgaben klingen ähnlich wie früher. Die bahninterne Kalkulation verlangt einen jährlichen Umsatz von etwa acht Millionen Euro. „Wir liegen darüber, manchmal sogar bei zehn Millionen“, betont Ingenieurbau-Chef Hameister.

Vielleicht liegt es auch am Engagement der Dresdner in Berlin. Dort sind sie auf der Riesenbaustelle des Lehrter Bahnhofs aktiv, wo im Herzen der Bundeshauptstadt die Spezialtechnik zum Abstützen von Bahnbrücken gefragt ist. Ein Manko: Die Werkstatt im Stadtteil Neustadt bildet trotz der offenbar guten Auftragslage nicht aus. „Das wird bei der Bahn zentral organisiert“, sagt Hameister. „Kennen Sie die Personalpolitik?“, fügt er als Frage hinzu. Wie sieht sie denn aus? „Wir freuen uns, dass wir die derzeit Beschäftigten halten konnten.“