Glückwunsch, altes Haus!

Ein ungewöhnliches Bauwerk und ein Wahrzeichen: Die Yenidze erinnert an die Blütezeit der Dresdner Zigarettenindustrie, als es um 1900 in der Stadt 70 Zigarettenfabriken gab. Um 1920 kam etwa jede vierte deutsche Zigarette aus Dresden. Geblieben ist die f6 Cigarettenfabrik, wo noch etwa 300 Mitarbeiter beschäftigt sind. Für die vor 110 Jahren fertiggestellte „Yenidze“ begann vor 25 Jahren, am 15. April 1994, mit der Sanierung ein neues Leben als Bürohaus, Restaurant, Theater. Dort werden jetzt Märchen aus 1001 Nacht erzählt.
Die Idee hatte der Unternehmer Hugo Zietz. Er hatte 1886 die Tabakfabrik Yenidze gegründet. Mit dem Neubau wollte er seine im Stadtgebiet verteilte Produktion konzentrieren. 1907 beauftragte er den jungen Architekten Martin Heinrich Hammitzsch. Der Bau sollte nicht nur funktional sein, er sollte auch als Werbeträger für Zietz‘ Zigarettenmarken Salem und Yenidze dienen, zumal in Dresden in Zentrumsnähe kein Fabrikgebäude errichtet werden durfte, das als solches zu erkennen war.
Der aus Plauen bei Dresden stammende Hammitzsch hatte erst 1901 die Ausbildung abgeschlossen. Obwohl der Name „Yenidze“ auf ein Tabakanbaugebiet im Osmanischen Reich verwies – Yenidze ist der alte Name der nordgriechischen Kleinstadt Giannitsa – orientierte er sich mehr an der islamischen Architektur Ägyptens. Für viele Element wie die Kuppel oder den gezackte Zinnenkranz haben Grab- und Moscheebauten in Kairo Pate gestanden, während die Hufeisenbögen der Fenster der maurischen Baukunst Andalusiens entliehen sind. Ein als Minarett gestalteter Schornstein steigert den exotischen Reiz.
Das 62 Meter hohe Gebäude war eines der ersten Bauwerke Deutschlands, das in Eisenbetonskelettbauweise mit Ziegelausfachung errichtet wurde. Kapitelle, Gesimse, Zinnen und Fenstereinfassungen sind aus Betonwerkstein, der gegossen und steinmetzmäßig bearbeitet wurde. Dieser Baustoff, eine Mischung aus Beton und Natursteinmehl, ist bei der „Yenidze“ erstmals in größerem Stil erprobt worden. Die technische Ausstattung mit Dampfheizung, Staubabsaugern für die Produktionsräume, Aufzügen und der effektvollen elektrischen Beleuchtung der 17 Meter hohen Kuppel entsprachen dem damaligen Stand der Technik.
Die Arbeitsbedingungen für die 1 700 Arbeiter waren vergleichsweise vorbildlich. In der zweiten Kuppeletage befand sich eine nach Frauen und Männern getrennte Ruhehalle für die Mitarbeiter. Im Dachgeschoss waren Brause und Wannenbäder untergebracht.
Der Rohtabak lagerte im Untergeschoss, wo er gelockert und gemischt wurde. Aufzüge brachten ihn in die Arbeitsräume in den oberen Stockwerken. Der Produktionsablauf war von oben nach unten geordnet. Im vierten Obergeschoss wurden die billigen Zigaretten maschinell hergestellt, im zweiten und dritten Obergeschoss die höherwertigen manuell gedreht. Im ersten Obergeschoss wurden die Etiketten und Banderolen aufgeklebt. Im Erdgeschoss war der Versand. Die „Yendize“ war bei den Architekten anfangs umstritten. Hammitzsch selbst hat sich später von deren „Reklamearchitektur“ distanziert. Er hatte in den 1920er Jahren die Leitung der Dresdner Bauschule übernommen, 1936 heiratete er die Stiefschwester Adolf Hitlers, Angela Raubal, und nahm sich im April 1945 das Leben. Er wollte der Roten Armee nicht in die Hände fallen.
Bis 1976 wurden in der „Yenidze“ Zigaretten hergestellt. Danach war dort vor allem Verwaltung untergebracht.