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SZ-Aktienexperten: Kurse rutschen weiter

Dresden/Frankfurt am Main. Allen Konjunkturprogrammen und Finanzspritzen zum Trotz: Die Aktienkurse sind im Sinkflug. Der Deutsche Aktienindex (Dax) fiel gestern knapp unter 3900 Punkte. Zuvor war der...

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Von Ulrich Wolf

Dresden/Frankfurt am Main. Allen Konjunkturprogrammen und Finanzspritzen zum Trotz: Die Aktienkurse sind im Sinkflug. Der Deutsche Aktienindex (Dax) fiel gestern knapp unter 3900 Punkte. Zuvor war der US-Leitindex Dow Jones in der Nacht zum Dienstag auf den tiefsten Stand seit zwölf Jahren gerutscht. Allerdings startete er gestern Nachmittag positiv in den Handel. Das verhinderte noch stärkere Verluste im Dax. Auch in Asien waren die Märkte auf Tauchstation gegangen.

Für die neuerlichen Abstürze gab es vor allem zwei Ursachen: Zum einen trudelt in den USA die Finanzbranche immer weiter gen Abgrund. Seit Tagen kursiert das Gerücht, die US-Regierung werde sich an der einst weltgrößten Bank Citigroup beteiligen. Das Geldhaus hat bereits Hilfen für 35 Milliarden Euro erhalten. Zudem wird spekuliert, der Versicherungsriese American International Group (AIG) habe im letzten Quartal des vorigen Jahres 46,8 Milliarden Euro Verlust gemacht – obwohl auch er bereits mit 117 Milliarden Euro gestützt worden war.

In Deutschland belastete zudem der neue Geschäftsklimaindex des Ifo-Instituts den Dax zusätzlich. Das Stimmungsbarometer für die Erwartungen deutscher Firmen fiel auf seinen historischen Tiefststand vom Dezember zurück. Ifo-Chef Hans-Werner Sinn: „Die Befragungsergebnisse deuten nicht auf eine konjunkturelle Wende hin.“

Noch keine Kaufkurse

Ähnlich sieht es der Chef-Volkswirt der Deutschen Bank, Norbert Walter. Seiner Meinung nach schaffen es die Konjunkturpakete nicht, die Unsicherheit der Anleger auszuräumen. Er hatte erst am Montag einen Konjunktureinbruch in Deutschland „von mindestens fünf Prozent“ prognostiziert.

Der bankenunabhängige Vermögensverwalter Jens Richter in Dresden stimmt Walters düsteren Aussichten zu. Von Kaufkursen will Richter nichts wissen: „Für einen Einstieg ist es noch deutlich zu früh, für einen Ausstieg sehr wahrscheinlich noch nicht zu spät.“ Er begründet das mit dem Bekanntwerden von immer neuen Risiken und Verlusten in der Finanzbranche. Die AIG-Milliardenhilfen reichten ebenso wenig aus wie die Finanzspritzen für die deutsche Spezialbank Hypo Real Estate. „Die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß, dass die Märkte in den freien Fall übergehen.“ Richter hält sogar „ein nochmaliges Abrutschen der Kurse um die Hälfte“ für möglich. Er habe für seine Mandaten seit Anfang 2008 kein einziges Wertpapier gekauft und hält „100 Prozent Kasse“.

Auch beim Dresdner Vermögensverwalter Damm-Rumpf-Hering OHG ist Liquidität Trumpf. „Wir halten 87 Prozent cash“, sagt Rocco Damm. Die neue Belastungsgrenze im Dax sieht er bei 3500 Punkten. Der jetzige Kursrutsch sei vor allem eine „psychologische Reaktion“.

Sturz auf 3300 Punkte

Eva Donsbach, Leiterin des Privatbankhauses Lampe in Dresden, hält es für möglich, dass der Dax um weitere zehn Prozent fallen könnte. „Dann aber dürfte es zu einer Bodenbildung kommen.“

Ähnlich sieht es Tino Kühne, Wertpapierexperte der Ostsächsischen Sparkasse Dresden. Er rechnet mit einem möglichem Kursrückgang im Dax auf etwa 3600 Punkte. „Die schlechten Nachrichten häufen sich“, sagt Kühne. Die erhoffte Entspannung an den Finanzmärkten sei „wieder in weite Ferne“ gerückt.

Skeptischer als seine Kollegen ist Markus Michalow von der Dresdner Bank. Er hat einen „intakten Abwärtstrend“ beim Dax festgestellt. „Ich glaube an weiter sinkende Kurse bis zu 3300 Punkten.“ So banal es klinge: Es gibt derzeit einfach zu wenig Käufer im Markt.

Die SZ-Börsenkolumnisten von Hypovereinsbank, Deutsche Bank, Volksbank, Commerzbank und Postbank sahen sich gestern nicht in der Lage, zur Entwicklung der Aktienmärkte Stellung zu nehmen.

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