Von Jürgen Müller
Meißen. Undank ist der Welten Lohn. Das denkt sich wohl auch die Mitarbeiterin des Weißen Ringes, einer Organisation, die Opfern hilft. Auch die Angeklagte holte sich Hilfe beim Weißen Ring. Sie soll nämlich 2011 vor dem Meißner Amtsgericht erscheinen. Wegen gefährlicher Körperverletzung war sie angeklagt. Ihr wurde vorgeworfen, einen Deko-Storch nach ihrem Lebensgefährten geworfen und ihn dabei verletzt zu haben. Eine Mitarbeiterin vom Weißen Ring soll sie zum Gericht begleiten. Die freilich sind für Opfer da, nicht für Tatverdächtige. Deshalb erzählt die Frau der Mitarbeiterin des Weißen Ringes eine herzzerreißende Geschichte. Ihr Lebensgefährte habe sie 20 Mal geschlagen, deshalb habe sie flüchten müssen. Sie behauptet auch, dass der Mann mit seiner leiblichen, neun Jahre alten Tochter nackt im Bett schlafe, wenn die Tochter zu Besuch sei. Sie selbst müsse dann auf die Couch.
Die Tochter missbraucht?
Normalerweise werden die Opferakten entweder von den Opfern selbst oder von den Mitarbeitern des Weißen Ringes in deren Beisein ausgefüllt. Doch diesmal geht das nicht. Die heute 36-jährige Frau muss angeblich dringend weg. Doch die Mitarbeiterin des Weißen Ringes hat sich Notizen gemacht, die Angaben der Frau später in das Protokoll übertragen. Durch ein Versehen, das auch nicht aufzuklären ist, gelangt das Opferprotokoll in die Hände der Polizei. Daraufhin werden Ermittlungen gegen den Lebensgefährten der Frau wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern geführt, außerdem verliert er das Sorgerecht für seine Tochter. Doch es ist alles heiße Luft, die Frau hat in ihren Aussagen mächtig dramatisiert. Der Mann gewinnt den Sorgerechtsstreit, das Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs wird eingestellt. 15 000 Euro Anwaltskosten soll das den 47-jährigen Radebeuler gekostet haben.
Obwohl sich die Frau von ihrem Lebensgefährten bedroht sieht, gar um ihr Leben fürchtet, kehrt sie wieder aus Hamburg zu ihm nach Radebeul zurück. Jetzt behauptet sie, die Angaben gegenüber dem Weißen Ring nie gemacht zu haben. Alles sei erstunken und erlogen. Sie zeigt die Mitarbeiterin des Weißen Ringes wegen Verleumdung an. Auch ihr Lebensgefährte erstattet Anzeige. Doch schnell zeigt sich, dass nichts dran ist an den Vorwürfen. Das Verfahren gegen die Mitarbeiterin des Weißen Ringes wird eingestellt. Die beiden Anzeigeerstatter sitzen nun wegen falscher Verdächtigung selbst vor Gericht.
Die Verhandlung gibt einen tiefen Einblick in diese Beziehung, in der es handfest zuging, man sich wohl gegenseitig schlug und demütigte. „Ich habe die Grenzen der Notwehr nie überschritten“, sagt der Angeklagte, der aber einräumt, dass es in der Beziehung massive Probleme gab. Vor allem, wenn seine Lebensgefährtin Alkohol trank, sei sie aggressiv geworden.
Die Frau sei das Opfer, sie sitze zu Unrecht auf der Anklagebank, so die Anwältin der Angeklagten. Der Mann habe auch die Tochter seiner Lebensgefährtin geschlagen. Der letzte Vorfall ereignete sich bei einer Silvesterfeier 2012. Auch hier gaben sich beide die Schuld. Seit diesem Tag sind die beiden jedenfalls getrennt.
Auch der Chef des Weißen Ringes, der aus Hamburg angereist ist, hatte damals keine Zweifel, dass die jetzige Angeklagte ein Opfer ist. „Ich hatte den Eindruck, dass die Frau die absolute Wahrzeit sagt“, gibt er zu Protokoll. Allerdings erlebe er es nicht selten, dass Frauen, die von ihren Partnern geschlagen würden, zu denen wieder zurückkehrten. So war es auch in diesem Fall. „Ich habe die Anzeige gemacht, weil er das wollte. Hätte ich es nicht gemacht, hätte es wieder Stress gegeben“, sagt die Angeklagte. Sie will unter Druck gestanden haben.
Staatsmacht zu Unrecht losgejagt
„Sie zeigen die Frau an, die Ihnen helfen wollte“, wirft die Staatsanwältin der Angeklagten vor. Noch deutlicher wird die Vertreterin der Nebenklage: „Sie bekommen nie wieder von jemandem Hilfe. Schämen Sie sich nicht? Sie haben die Staatsmacht völlig zu Unrecht losgejagt.“ Die Verteidigerin hingegen sieht einen „entschuldigenden Notstand“ und fordert Freispruch für ihre Mandantin.
Dazu kommt es nicht. Das Gericht verurteilt die Frau wegen falscher Verdächtigung und Verleumdung zu einer Haftstrafe von drei Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wird. Der Mann hingegen wird freigesprochen. Es sei nicht ausgeschlossen, dass er sich auf die Äußerungen seiner Lebensgefährtin verlassen habe, so der Richter.