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Tafeln sollen endlich Ortsteil kennzeichnen

Gittersee. Statt Bergbau und Siliziumwerk gibt es heute ein Gewerbegebiet.

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Von Mandy Jordan

Gittersee ist ein Stück Dresden mit einer bewegten Geschichte. Im Sommer 1989 geriet der Stadtteil in die Schlagzeilen: Die Anwohner wehrten sich mit allen Kräften des Protestes gegen ein von der SED-Regierung geplantes Reinstsiliziumwerk auf dem Gelände des Wismut-Schachtes „Willy Agatz“. Der Schacht sollte geschlossen und die Kumpel zu Chemie-Arbeitern umgeschult werden. In der Mikroelektronik stieg der Bedarf an Silizium, dessen Ausgangsstoff Trichlorsilan als sehr gefährlich gilt. Erst mit der Wende, im November 1989, wurde das Projekt fallen gelassen. Heute steht anstelle des geplanten Reinstsiliziumwerkes das Gewerbegebiet Coschütz-Gittersee. Einige Straßennamen wie die Moritzschachtstraße erinnern an Schächte des früheren Bergbaugebietes.

Nötig: Sanierung von Häusern

Karsten Hartmann leitet die Fleischerei Hartmann in der fünften Generation. Für ihn sei das Gewerbegebiet in unmittelbarer Nähe ein Glück für das Geschäft. Er beklagt, dass es einige Häuser gibt, an denen nichts passiert und die deshalb ein unschönes, tristes Dasein fristen. Meistens im selben Atemzug mit Coschütz genannt, fühlen sich die „alten“ Gitterseer etwas vergessen. Noch heute fehlen entsprechende Ortsteiltafeln auf weißem Hintergrund. Nach Auskunft der Stadtverwaltung, werden diese Tafeln, sobald es der Haushalt zu lässt, aufgestellt. Ein genauer Zeitpunkt stehe allerdings nicht fest.

Im Juli 1945 wurde das ehemalige Platzdorf in Dresden eingemeindet. Der alte Siedlungskern ist heute noch an der Potschappler Straße erkennbar. Es hat sich viel geändert. „Heute sind es vielleicht noch 20 Familiennamen von etwa 200, die man hier von früher findet“, sagt Manfred Göpfert, der sich mit der Geschichte von Gittersee beschäftigt. Der 78-Jährige ist hier geboren und aufgewachsen. Sein Sohn führt nun in der vierten Generation ein Einzelhandelsfachgeschäft an der Karlsruher Straße.

Im früher beliebten „Taubmanns Gasthaus“ und in der Ausflugsgaststätte „Rehbockschenke“ sind die Lichter schon lange aus. Dass die Gitterseer sportlich waren und sind, beweist die frühe Gründung des Sportvereins im Jahre 1882. Der vereinseigene Sportplatz mit Turnhalle befindet sich hinter dem ehemaligen „Taubmanns Gasthaus“. Heute zählt die Sportgemeinschaft Gittersee immerhin etwa 400 Mitglieder, sagt Manfred Göpfert, der selbst seit 1932 einen Mitgliedsausweis besitzt. „Die Fußballer nennen den von den Jahren gezeichneten Hartplatz ‚die Schleifscheibe'“, erzählt der rüstige Rentner. Die Anlage samt Halle müsste dringend saniert werden. Doch dem Verein fehlen die finanziellen Mittel. Aus diesem Grund mussten sich die Handballer, Badmintonspieler und Turner des Vereins vorerst andere Sportstätten suchen.

Gesucht: Ort der Begegnung

Beim genauen Hinsehen kann man neben dem neuen Supermarkt an der Fassade des Hauses Karlsruher Straße 78 eine Eule erkennen. In diesem Haus befand sich die ehemalige Eulen-Apotheke. Hier gibt es seit Anfang der 1990er Jahre keine Medizin mehr. Wenige Meter weiter können die Dresdner in der früheren alten Schmiede heute Textilien reinigen lassen.

Die Zeit hat nicht nur Spuren sondern eben auch viele Geschichten hinterlassen, welche die „Urgesteine“ Gittersees den jüngeren Generationen erzählen möchten. Seit Jahren versuchen deshalb rührige Gitterseer, einen geeigneten Ort zur Begegnung für die Einwohner zu finden. Manfred Göpfert denkt da zum Beispiel an ein kleines Museum zur Geschichte ihres Ortsteils. Die Bemühungen waren bisher allerdings vergeblich.