Von Katrin Schröder
Am Grenzübergang von Bad Muskau nach Leknica (Lugknitz) steht der Reisebus. „Wir haben extra gefragt, ob wir eine Vignette brauchen – man hat uns gesagt: Kein Problem, das geht auch so“, sagt Reinhard Krönert. Doch die polnische Grenzpolizei sagt „nie“ – deshalb fährt Krönert zur Tankstelle nahe der Autobahn, wo es Vignetten gibt, während Verona Gröschner alias der Glaskalfaktor im Reisebus die rund 50 Tourgäste bei Laune hält.
Eine von den kleinen Pannen, die auf dem Weg nach Polen passieren können. Eine Stunde fehlt im Zeitplan. Doch sowohl die Mitreisenden als auch die Partner vor Ort nehmen es gelassen. In Zary (Sorau) wartet der städtische Wirtschaftsdezernent Ireneusz Brzezinski geduldig auf die Gruppe.
Bei der Rundfahrt zeigt er stolz das neue Gewerbegebiet der Stadt: „Wir haben 130 Hektar, 120 haben wir schon verkauft.“ Die Weißwasseraner schauen und staunen – so viel Aufschwung hätten sie gerne in ihrer Stadt. Dann geht es im Sauseschritt durchs Zentrum. Der sanierte Markt wird bestaunt, per Fernbedienung schaltet Brzezinski das Glockenspiel am Rathaus ein. Die Gäste sind begeistert. „Viele Leute aus Weißwasser sind hier geboren – und außerdem ist es unsere Partnerstadt“, sagt Verona Gröschner auf die Frage: „Warum Zary?“
Auch ohne Dolmetscher
Für Renate Duschek war es binnen weniger Tage schon der zweite Besuch. Die Weißwasseranerin wurde in Sorau geboren und verbrachte dort die ersten Lebensjahre. Gerade hat sie das frühere Haus ihrer Eltern entdeckt, der Vater hatte ein Modegeschäft. Am Wochenende davor war sie beim Treffen der ehemaligen Sorauer – „zum ersten Mal“, betont sie, mit Vertriebenenverbänden habe sie nichts am Hut. Familiäre Bande sind es nicht, die Brigitte Schütz aus Krauschwitz nach Polen führen, sondern eher die Natur: „Als mein Mann noch lebte, sind wir oft ins Riesengebirge gefahren“ Aus Interesse ist Manfred Richter dabei – der Rohner, aktiv im Förderverein Njepila-Hof, stellt fest, dass Sorben und Polen sich auch ohne Dolmetscher verstehen.
Verona Gröschner schaut auf die Uhr – die Zeit ist knapp. Als Glaskalfaktor ist die quirlige Weißwasseranerin Botschafterin der Oberlausitz. Seit März ist sie auch Reiseleiterin – erst nur für die Mitglieder des Stadtvereins, doch nun stehen die Touren jedem offen. Zum ersten Mal wagt sie sich ins Nachbarland – das mit der Busvignette passiert ihr nicht noch einmal.
Liebe auf den ersten Blick
Mittlerweile ist ein großer Teil ihrer Gäste Stammkundschaft – es geht familiär zu, man kennt sich. Gerade für ältere Leute, findet Verona Gröschner, sind solche Touren ideal – vielleicht hat man kein Auto mehr oder keinen Reisepartner, will aber trotzdem etwas sehen – nicht in weiter Ferne, sondern in bequemer Nähe. Zum Beispiel Kliczkow (Klitschdorf): Im früheren Schloss der Familie zu Sollms ist heute ein Hotel mit Kongresszentrum.
Eine Firma aus Wroclaw (Breslau) hat es von 2000 bis 2001 saniert. „Ich habe mich auf den ersten Blick verliebt“, schwärmt Verona Gröschner – ob in das Schloss oder den attraktiven Manager, das lässt sie offen. Die Gruppe besichtigt die luxuriöse Kaisersuite, in der einst Wilhelm I. übernachtete. „Das könnte eine Kulisse für Film oder Theater sein“, sagt eine Dame. Das gilt auch für den herrschaftlichen Ballsaal, unter dessen hoher Stuckdecke zuvor gespeist worden war.
Auch auf dem Weg nach Boleslawiec (Bunzlau) sind alle guter Dinge – obwohl die Schaumanufaktur in der Keramikstadt nach 16 Uhr nur noch schwach besetzt ist. Doch die Mitarbeiterinnen erklären, wie traditionelle Muster gestempelt und gemalt werden, dass 1000 Stücke pro Tag hergestellt und 70 Prozent davon nach Amerika verkauft werden. Zum Schluss noch einmal ein deutsch-polnisches Missverständnis: Statt 54 hat man im Café nur 37 Gäste erwartet, die Bedienungen schleppen Stühle und kochen Kaffee im Akkord. „Ich muss Polnisch lernen“, stöhnt der Glaskalfaktor – für künftige Besuche, schon um die Nerven zu schonen.