Von Astrid Rieger
Ein Hinterhaus an der Goethestraße in Riesa. Niemand erwartet dort hinten noch einen Ballettsaal. Der Raum in der Kunst- und Musikschule Riesa versprüht den Charme der 80er Jahre. Niedrige Sessel sind um kleine Tische gruppiert, von der Decke nacktes Neonlicht.
Georgi Marinov ist Lehrer für Tanz an der Landkreis-Schule. Für seine Stepptanzschüler, die auch aus Radeberg, Bautzen, Leipzig und Hoyerswerda kommen, hat er einen Workshop organisiert. Aber nicht er selbst steht vor seinen Schützlingen, sondern Tom Fletcher, einer der besten Stepptänzer aus Deutschland.
Erinnerungen steigen auf
Langsam füllt sich der Saal mit Menschen und mit Geräuschen. Geräusche, die man auch als Tanzlaie nur mit dem Steppen in Verbindung bringt. Automatisch drängen sich beim Klicken der Metallplatten auf dem Fußboden Erinnerungen auf an elegant beschuhte Männerfüße, die zu „I‘m Singin‘ In The Rain …“ fröhlich durch die Pfützen steppen.
Die Workshopteilnehmer gehören zu den echten Fans, die ihr Hobby mit Herzblut betreiben. „Ich hoffe, dass ich heute richtig was lernen kann“, sagt Petra Röhl aus Radeberg. Die 46-Jährige steppt bei Georgi Marinov an der Kreismusikschule Kamenz. Ihre Kolleginnen sehen das ähnlich. Die Riesaerin Katrin Grabowski (38) ist seit zirka zwei Jahren dabei. „Tom Fletcher wird sicher anders an den Stepp herangehen als wir es bisher getan haben. Das ist eine neue Anregung für uns“, meint sie.
Dass sich neben einem einzigen Mann ausschließlich Frauen auf dem Parkett aufstellen, versucht Georgi Marinov zu erklären: „Früher war der Tanz auch ein Mittel der Brautwerbung. Der Mann konnte seinen Körper und seine Stärke präsentieren. Natürlich geschieht das heute auch noch in abgewandelter Form in den DiskothekenDie größte Alternative bieten die derzeit üblichen Sport- und Fitnessbeschäftigungen. Also nehmen die Männer den Tanz wohl nicht mehr so wichtig wie damals.“
Das Auftreffen der Steppschuhe auf dem Boden hört sich an wie rhythmisches Applaudieren. Es ist gar nicht leicht, die Anweisungen von Tom Fletcher zu verstehen, der vor den 24 Tänzerinnen Position bezogen hat. Er zeigt langsam eine Schrittkombination. Dazu hebt er seine Hosenbeine an. Erst die Fußspitze, dann die Ferse auf den Boden setzen. Und immer ganz locker bleiben. Während das einigen ganz gut gelingt, kämpfen andere noch mit ihren Füßen. Viele verzweifelte Blicke richten sich auf Tom Flechters Beine, die wie aus Gummi zu sein scheinen. Nach 45 Minuten fallen die ersten Jacken und Pullover in dem kühlen Ballettsaal.
Bevor sich alle eine kurze Pause gönnen, legt der Meister Musik auf. Jetzt geht‘s gleich etwas besser – aber auch schneller.