Kunstdünger ist für die konventionelle Landwirtschaft existenzwichtig und für Kleingärtner ein willkommenes Arbeitsmittel. In den falschen Händen kann Kunstdünger aber zum Ausgangsstoff gefährlicher Bomben werden; solcher Bomben, wie sie Terroristen bei einem Anschlag in Madrid imMärz 2004 eingesetzt haben.
Um kontrollieren zu können, wer wann welche Mengen von dem potenziell gefährlichen Stoff kauft, hat Deutschland im vorigen Jahr als Europa-Vorreiter ein Gesetz erlassen, das die Abgabe von gewissen Düngemitteln regelt und Verstöße unter Strafe stellt. Nur weiß das kaum einer. Jetzt sehen sich die ersten Kleingärtner und Landwirtschaftsbetriebe mit den neuen Regeln konfrontiert und wundern sich: Beim Kauf bestimmter Düngemittel muss man den Personalausweis vorzeigen. Name, Adresse und zum Teil auch das Autokennzeichen werden erfasst.
Große Düngemittelhändler im Landkreis, wie die Reinholdshainer Agrarservice GmbH, bei der mehrere Tausend Tonnen industriell erzeugter Düngemittel pro Jahr verkauft werden, bestätigen die neue Regelung. Der Endverbraucher müsse jetzt darauf gefasst sein, sich beim Kauf bestimmter Düngemittel beraten und belehren zu lassen, diese Beratung mit seiner Unterschrift zu quittieren und seine Adressdaten vorzulegen. „Wir dokumentieren alles in einem Abgabebuch, das fünf Jahre aufgehoben wird“, sagt Geschäftsführer Eckehardt Seidlein. Firmen, die Dünger abholen lassen, mussten sogar die Namen der zuständigen Mitarbeiter übersenden.
Die neue Regelung – eine Änderung der Chemikalien-Verbotsverordnung – gilt sowohl für Großabnehmer als auch für Kleingärtner, die ihren Dünger zum Beispiel in 25-Kilo-Säcken kaufen. Sie trifft besonders zwei häufig eingesetzte Düngemittel-Kategorien: Den NPK-Volldünger (Stickstoff, Phosphor, Kali) und Kalk-Ammon. Beide Verbindungen enthalten nicht unerhebliche Anteile von Nitraten, die mit etwas bösem Willen zu Chemikalien umgemodelt werden können, die auch in der Sprengstoff-Herstellung Verwendung finden. Kaufen kann man diese Agrar-Chemikalien aber nach wie vor.
Laut dem Gesetz gelten die neuen Regelungen für Düngemittel egal welcher Packungsgröße, also theoretisch auch für die Dünger-Päckchen im Bau- und Gartenmarkt. Dennoch schaut die Garten-Expertin im Freitaler Toom-Baumarkt, Annett Damm, ungläubig. Ein Abgabebuch werde dort nicht geführt. Der Grund dafür sind die niedrigen Konzentrationen in den einschlägigen Baumarktartikeln. Auch die Obi-Zentrale im nordrhein-westfälischen Wermelskirchen gibt Entwarnung. „Die relevanten Massengrenzen an Ammoniumnitrat und Kaliumnitrat werden in unseren Sortimenten nicht erreicht, sodass die Freiverkäuflichkeit gesichert ist“, erläutert Susanne Schulte von der Presseabteilung.
Baumarkt mischt anders
Das heißt, Obi und andere geben ihren Düngern jetzt einen so geringen Nitratanteil bei, dass man den Dünger nicht zünden kann – und umgehen so die aufwendige Dokumentation. Wer besonders nitratreichen Dünger benötigt, muss daher momentan auf Großhändler wie den Agrarservice ausweichen. Nur für Moos- und Unkrautvernichter gelten auch im Baumarkt schärfere Vorschriften – das allerdings aus Umweltschutzgründen.