Testlauf mit lernschwachen Schülern

Döbeln. Wenn alles nach Plan läuft, werden in einigen Jahren die neu gebaute Grundschule und die Lernförderschule in Döbeln Ost auf einem gemeinsamen Campus direkt nebeneinanderstehen. Die Schulleitungen arbeiten aber jetzt schon zusammen. Die gemeinsame Idee: Die Grundschule will sich beim Freistaat für ein Pilotprojekt für die sogenannte Inklusion bewerben.
Das heißt, dass lernschwache Schüler nicht die Förderschule, sondern die Grundschule besuchen. Soweit der Plan. Derzeit wird die Bewerbung in der Schulkonferenz diskutiert. Schulleitern Andrea Katzer macht kein Hehl daraus, dass die Eltern skeptisch sind, dass das funktioniert. Sie dagegen hält das Pilotprojekt für eine Chance. Denn die Inklusion wird auf jeden Fall kommen, glaubt sie. Deutschland hat die Behindertenrechtskonvention anerkannt. Sachsen passte schon vor zwei Jahren sein Schulgesetz entsprechend an. Jetzt geht es um die Umsetzung.
Am Donnerstag hatte die Schulleiterin die Elternvertretung in der Schulkonferenz über das Vorhaben informiert. „Es gab viele Fragen, wie das gehen soll und ob das leistbar ist. Und ob man das Pilotprojekt, das bis 2023 gehen soll, abbrechen kann“, sagte Andrea Katzer. Sie will diese Skepsis aufbrechen. „Wir haben eine Lehrerin an der Schule, die mit Inklusion Erfahrung hat. Sie hat davor überhaupt keine Angst und wundert sich, wo wir in Sachsen stehen.“ Auch sie selbst habe an privaten Schulen schon Erfahrungen mit Inklusion gesammelt. Für die Lernförderschule ist das Thema nicht neu. „Wir hatten immer Inklusionsschüler in den Grundschulen sitzen. Bisher läuft das aber ohne Hilfe und ohne zusätzliches Personal“, sagte Dagmar Dettke, Leiterin der Lernförderschule auf dem Schloßberg.
Wenn die Schulkonferenz zustimmt und die Bewerbung Erfolg hat, soll das Pilotprojekt an der Grundschule Ost im kommenden Schuljahr starten. Und zwar in der 1. Klasse. Dort sollen drei, vier Kinder mit Förderbedarf in den ganz normalen Klassen mit eingeschult werden, sagte Andrea Katzer. „Wir schauen dann, was das Kind kann und wo es Defizite gibt. Danach werden zusammen mit der Förderschule weitere Schritte geplant.“ Die speziell ausgebildeten Lehrer der Förderschule sollen ihren Kollegen zur Seite stehen. Nicht nur beratend. Bei Bedarf sei auch extra Unterricht möglich, so Dagmar Dettke. „Wenn sich herausstellt, dass es nicht geht oder wenn die Eltern nicht mehr wollen, kann das Kind an die Lernförderschule wechseln.“
Mit der Inklusion von lernschwachen Schülern würden an der Grundschule Ost andere Lernmethoden eingeführt. Mit dem klassischen Frontalunterricht sei das nicht zu machen. Stattdessen würde der heute schon an manchen Schulen übliche Werkstattunterricht angewandt, bei dem die Schüler sich den Unterrichtsstoff selbstständiger erarbeiten. „Der Lehrer kann die Schüler viel besser beobachten und darauf reagieren“, sagte Andrea Katzer.
Das Landesamt für Schule und Bildung sei über die mögliche Bewerbung informiert und begrüße sie, sagte Andrea Katzer. „Wir könnten für das Pilotprojekt mit personeller und finanzieller Unterstützung rechnen.“ Die Stadt als Schulträger müsste sich beteiligen und einen Inklusionsassistenten einstellen, der die Lehrer unterstützt. Der Freistaat finanziert diese Stelle, sagte Katzer. Bei der Vorstellung des Pilotprojektes in der Schulkonferenz war aber trotz Einladung kein Vertreter der Stadtverwaltung anwesend.
Die Bewerbung muss bis zum 3. Mai erfolgt sein. Der Zeitplan ist eng gestrickt – auch für die Meinungsbildung der Eltern, die mit in der Schulkonferenz sitzen. Für den Elternrat ist das Vorhaben ganz neu, er muss noch darüber beraten, sagte Anja Wüstrich, die Vorsitzende der Elternvertretung. „Wir vermissen ein richtiges Konzept, auf dessen Grundlage wir entscheiden können.“ Bei dem allgemeinen Lehrermangel an den Schulen befürchten die Eltern, dass es über vier Jahre Projektdauer am Personal fehlt.
Im Jahr 2023 soll der sächsische Landtag über die Einführung der Inklusion an den Schulen entscheiden. „Wenn die Inklusion kommt, haben wir schon die materielle Ausstattung und einen Vorsprung“, sagte Andrea Katzer. Die Lernförderschule werde dann nicht überflüssig, sagte ihre Kollegin Dagmar Dettke. „Es könnte sein, dass wir mal keine erste Klasse bilden. Aber es wird immer Kinder geben, die nicht den normalen Unterricht besuchen können.“
Das Einschulen von drei oder vier Kindern mit Förderbedarf in Döbeln Ost im nächsten Schuljahr würde auch die volle Förderschule entlasten. „Wir können maximal zwölf Kinder einschulen und sind schon bei elf. Man würde manchen Kindern Fahrwege in eine andere Förderschule ersparen“, so Dettke.