Von Jenny Thümmler
Erik Kirsche ist aus dem Auto kaum mehr herauszubekommen. Vor vier Tagen hat der 17-jährige Schlaurother seinen Führerschein bestanden – beim dritten Versuch, nachdem er die theoretische Prüfung gleich auf Anhieb schaffte. „Beim ersten Mal habe ich es verstanden, beim zweiten Mal nicht.“ Sein Vater Lutz Kirsche wird deutlicher: „Die jungen Leute fallen aus fadenscheinigen Gründen durch. Das ist Abzocke!“
Die erste Prüfung bestand Erik Kirsche unter anderem wegen zwei Fehlern beim Linksabbiegen nicht. Bei der zweiten fiel er durch, weil er aus Sicht des Prüfers beim Ausparken zu dicht an ein anderes Auto herangefahren ist. In beiden Fällen griff der Fahrlehrer nicht ein. „Dann ist es nicht zu dicht, oder?“, schimpft Lutz Kirsche. Als er dann eine Studie vom Autoclub Europa (ACE) liest, dass im Osten deutlich mehr Fahrschüler die Prüfung nicht bestehen, ist für ihn der Fall klar: „Aufgrund der geburtenschwachen Jahrgänge bei uns lassen die Prüfer die Jugendlichen mindestens einmal durchfallen.“ Bei zahlreichen Freunden seines Sohnes sei es genauso gewesen.
Bund ist zehn Prozent besser
Tatsächlich zeigt die Statistik seit einigen Jahren, dass Fahrschüler in Sachsen Prüfungen immer häufiger nicht bestehen. Zahlen für dieses Jahr liegen nicht vor. Im ersten Halbjahr 2009 schafften 57 Prozent die Theorieprüfung. Zum Vergleich: 2005 waren es 63,6 Prozent. Bei der praktischen Prüfung bekamen 63,4 Prozent den Führerschein in die Hand, 2005 66,9 Prozent. Bundesweit bestanden im vergangenen Jahr knapp 73 Prozent. In Sachsen ist ausschließlich die Dekra für die Erteilung der Fahrerlaubnis zuständig. Diese weist solche Vorwürfe strikt von sich. „Das sagen Leute, die die Zusammenhänge nicht verstehen“, sagt Uwe Großer, Niederlassungsleiter der Dekra Bautzen, die auch für Görlitz zuständig ist, „der Fahrlehrer als Profi und Vertreter der Fahrschüler ist immer dabei. Da können wir nicht willkürlich jemanden durchfallen lassen.“ Auch seien die Prüfer keinesfalls strenger als vor einigen Jahren, als die Statistik für Sachsen besser aussah.
Fahrlehrer der Stadt bestätigen das. „Die Richtlinie hat sich vor langer Zeit geändert. Seitdem sind die Gesetze gleich, wann eine Vorschrift bei der Prüfungsfahrt nicht eingehalten wurde“, sagt Bernd Gritzner von der „Fahrschule mit Bernd“. Harry Thiele von der gleichnamigen Fahrschule sieht in seiner Statistik nur maximal jeden fünften Fahrschüler durchfallen. „Da achtet doch auch der Fahrlehrer drauf. Wenn die Schüler bei uns beim ersten Mal bestehen, ist das die beste Werbung.“ Enrico Lentföhr meint: „Der verantwortungsbewusste Umgang mit dem Auto ist wichtig. Für uns ist verständlich, wie die Prüfer entscheiden.“
Einige sehen es zu locker
Auf der anderen Seite berichten Fahrlehrer, dass Jugendliche weniger strebsam sind als vor zehn Jahren. Etwa die Hälfte wolle ohne Mühe durch die Fahrschule kommen, sagt Bernd Gritzner. „Vor allem Jungs überschätzen sich.“ Vielleicht werde ihnen in der Schule schon viel abverlangt, sodass sie beim Fahren nach dem Unterricht unkonzentriert sind. Harry Thiele hat ein Internetangebot Fahrtheorie eingerichtet und merkt dadurch sofort, wer nicht lernt. „Das hilft!“
Familie Kirsche will sich über die 2000 Euro, die Eriks Führerschein gekostet hat, nicht mehr ärgern. Aber sie will aufrütteln. „Die Beteiligten sollten mal darüber nachdenken, dass manche Familien sich den Führerschein für ihr Kind vom Mund absparen. 155 Euro für eine weitere Prüfung sind viel Geld.“
Auf ein Wort