Von Karin Grießbach
„Wollen Sie lieber 200 Treppen hoch oder hinunter steigen?“, fragt mich Projektleiter Ralph Flemmig von der Landestalsperrenverwaltung (LTV), Betrieb Oberes Elbtal. Ich entscheide mich für den Abstieg. So verlassen wir das Bürogebäude, und die Wanderung geht erst einmal eine kleine Straße hinauf auf die Krone der imposanten Mauer.
Wie eine Ameise wirkt ein Mensch angesichts der Ausmaße des Bauwerkes, das sich vor uns in den Himmel hebt. Und mich beschleicht ein etwas mulmiges Gefühl. Oben angekommen, bietet sich bei strahlendem Sonnenschein ein traumhafter Blick auf Lauenstein und den Erzgebirgskamm. Von dem erfolgreichen Probestau im Frühjahr ist nur noch ein kleiner See geblieben. „Im Falle eines Hochwassers verhindert er, dass mitgerissenes Schwemmgut den Grundablass des Dammes verstopft“, erklärt Ralph Flemmig, warum die Talsperrenbauer weiterhin eine gewisse Wassermenge angestaut lassen. Meine Begleiter haben inzwischen eine Einstiegsluke ins Innere des mächtigen Schutzwalles geöffnet, und wir steigen rund 200 Stufen hinab in eine Betonröhre, die etwa 47 Meter unter dem Bauwerk verläuft. „Wir befinden uns hier in einem Kontrollgang“, erklärt Jan Kittler. Er ist als Referatsleiter bei der LTV zuständig für die technische Überwachung der Anlage.
In dem mit verschiedensten Messeinrichtungen vollgestopften Tunnel gibt es für den Bauingenieur viel zu kontrollieren. So überwachen mehrere Manometer den Sohlenwasserdruck unter dem Dammbauwerk. In Metallbehältern hängen Gewichte an langen Stahlseilen.
„Während des Probe staus haben wir täglich an Schwimm- und Pendelloten abgelesen, um wie viele Millimeter sich der Damm durch den Wasserdruck verschoben hat“, erklärt Staumeister Ralf Zander. „Bei einer Wasserhöhe von rund 30 Metern drückten da immerhin 30 Tonnen gegen den Damm“, erklärt er. Die Messungen verliefen zur vollsten Zufriedenheit und werden nun in festgelegten Intervallen weitergeführt.
Nach etwa 250 Metern biegen wir seitlich in einen weiteren Gang ab. Eine schwere Holztür versperrt den Weg. „Damit verhindern wir Zugluft in den verschiedenen Röhren“, erklärt Jan Kittler. „Das ist notwendig, damit eine ausgeklügelte Belüftungsanlage in den unterirdischen Stollen für ein optimales Raumklima sorgen kann.“ Auch wenn niemand hier arbeitet, wird in regelmäßigen Abständen Frischluft von außen in die Tunnel geblasen, um die Luftfeuchtigkeit in einem optimalen Rahmen zu halten. In der Schieberkammer sind wir schließlich am Ziel unseres Rundganges angekommen.
So groß wie ein Einfamilienhaus, beherbergt sie das Herzstück der gesamten Anlage. Über zwei getrennte Grundablässe wird hier die Müglitz unter dem Damm hindurch geleitet. Im Moment plätschert der Fluss nur durch eine der beiden Öffnungen.
Übersteigen die ankommenden Wassermengen einen festgelegten Wert, wird rechnergesteuert automatisch der zweite Verschluss geöffnet. Die Kombination der beiden Grundablässe erlaubt eine optimale Steuerung der Durchflussmengen. Staumeister Ralf Zander kann aber auch alle wichtigen Daten des unterirdischen Überwachungssystems direkt am Bildschirm in seinem Büro abrufen.