Wenn die Tierärztin Hausbesuche macht

Der Friseur kommt nach Hause, die Nagelfee, die Fußpflege und natürlich der Hausarzt - und nun auch der Tierarzt. Julia Nestler fährt mit ihrer mobilen Praxis wöchentlich im Schnitt bis zu 250 Kilometer. Von Dohna bis nach Oberottendorf, Bad Gottleuba und Kreischa. Egal ob Kühe oder Pferde, Katzen oder Meerschweinchen, sie behandelt sie dort, wo sie zuhause sind. Bei den großen Tieren ist das schon immer so, weil die ja eher schwer zum Arzt zu bringen sind, bei den kleinen hingegen ist der Service noch nicht so verbreitet.
Bei Julia Nestler kam die Idee dazu eigentlich folgerichtig. Ihr damaliger Chef fragte sie zunächst, ob sie einen Teil seiner Arbeit übernehmen könnte. Das waren dann die Rinder. Und dann bekam sie erst einmal ihren Sohn. Weil sie nicht nur kleine Kinder, sondern auch kleine Tiere mag, aber noch keine Praxis will, dachte sie sich, fahre ich eben zu meinen Patienten.
In ihrem Dohnaer Haus hat sie eine Apotheke und alles, was sie für das Operieren kleiner Tiere braucht, sowie ein Milchlabor und eine Zahnstation. Große Eingriffe oder Fälle, in denen Julia Nestler nicht weiter weiß, überweist sie an Kliniken oder Spezialisten. Wie die Hündin, bei der ein Kaiserschnitt notwendig war, oder der Hund, der eine Zyste hatte.

Emmas letzter Zahn
Gerade hat Julia Nestler Emma behandelt. Jetzt holt Matthias Hantzsch die Katze der Familie ab. Emma hat jetzt nur noch einen Zahn unten rechts. Alle anderen waren so verfault, dass Emma wahnsinnige Schmerzen gelitten haben muss. Julia Nestler konnte sie relativ einfach entfernen. Trotzdem gab es für Emma Vollnarkose. Nur noch einen Zahn zu haben, ist für Katzen kein Problem, sagt Julia Nestler. Die Hantzschs haben zu Hause in Schöna auch noch ein Pferd und zwei Hunde. "Für uns auf dem Lande ist die Mobilität wichtig", sagt Matthias Hantzsch. Dass er Emma jetzt in Dohna abholt, lag für ihn auf dem Weg. Julia Nestler gibt ihm noch ein Schmerzmittel für Emma mit.
Die Apotheke ist neben der Approbation und der Anmeldung der Niederlassung eine Voraussetzung, um sich als Tierarzt selbstständig machen zu können. Ob Julia Nestler sich später doch noch eine Praxis einrichtet, wird sich zeigen. "Wenn, dann aber nur zwei, drei Tage, ich will immer weiter Hausbesuche machen."
Jetzt genießt sie die Freiheit, sich ihre Zeit frei einteilen zu können, worüber sich auch ihr Sohn freut. Zwar ist sie regelmäßig für Notdienste eingeteilt, aber es stehen eben nicht zu jeder Zeit Patienten vor der Tür.
Auch schon ein Känguru behandelt
Tierärztin zu werden, das war schon als kleines Mädchen Julia Nestlers Traum. Ein damaliger Dohnaer Tierarzt war ihr Vorbild. Obwohl ihre Eltern erst nicht begeistert waren, fand Julia Nestler schließlich keinen anderen Beruf. Und so ist es bei der 35-Jährigen bis heute geblieben. Dafür ist sie dankbar, genau wie für die Erfahrungen in Amerika und Australien und ihre Rückkehr in die Heimat.
Viereinhalb Jahre war sie mit ihrem in der Herz-Forschung tätigen Mann in der Welt unterwegs und arbeitete bereits als Tierärztin. Und ja, auch ein Känguru hat sie schon behandelt. Hier sind es vor allem Katzen, Hunde und Meerschweine. Die tierischen Patienten ändern sich. "Unser Ziel waren immer gesunde Tierbestände", sagt sie. Also die Rinder und Schweine der Bauern und Genossenschaften. Nun sind die weitgehend gesund und die Tierärzte haben weniger Arbeit mit ihnen, aber immer noch genug zu tun.

Tierärzte im Landkreis
- Ende vergangenen Jahres gab es im Landkreis 67 Tierärzte. Davon waren 45 Frauen. Das entspricht in etwa auch der sächsischen Quote. Im Freistaat waren von den 1.431 Tierärzten ebenfalls etwa ein Drittel Männer (514).
- Der Landkreis ist aus Sicht des Präsidenten der Sächsischen Landestierärztekammer, Dr. Uwe Hörügel, gut versorgt. Nur ein Problem bestehe: Praxen suchen angestellte Tierärzte.
- Der Trend bei den Tierärzten ist ähnlich wie bei den Humanmedizinern: Sie lassen sich lieber in den Städten nieder und ältere finden in den ländlichen Regionen kaum Nachfolger. Noch sei das im Landkreis kein akutes Problem, doch die Politik müsse reagieren, bevor es dazu kommt. Hörügel fordert ähnlich wie bei den Humanmedizinern Anreize für die Niederlassung von Tierärzten auf dem Land.
"Die Leute sind froh, wenn sie mit ihren Tieren nicht zum Arzt fahren müssen", sagt Julia Nestler. Das ist oft Stress, für Mensch und Tier. Und wie beim "richtigen" Arzt muss auch beim Tierarzt meist gewartet werden. All das nimmt Julia Nestler ihren Patienten und deren Frauchen oder Herrchen ab. Das zusätzliche Fahrgeld zahlen die gern. Bei der Frau, die gerade anruft, fällt das nicht ins Gewicht. Es ist eine Hundehalterin aus Dohna, quasi um die Ecke.