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Dresdner Heide: In fünf Jahren keine Fichten mehr?

Die Bäume sind grün, haben Maiwuchs. Doch Eindruck täuscht. Tausende von ihnen sind vom Borkenkäfer befallen und müssen weg. Was im Forst passiert.

Von Kay Haufe
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Christian Ufer vom gleichnamigen Forstdienstleistungsbetrieb fällt eine der alten Fichten im Prießnitzgrund.
Christian Ufer vom gleichnamigen Forstdienstleistungsbetrieb fällt eine der alten Fichten im Prießnitzgrund. © Marion Doering

Dresden. Immer wieder kommen Radfahrer den Prießnitzgrund in Klotzsche entlang. Doch vor einem Schild müssen sie anhalten. "Lebensgefahr" steht dort in großen Buchstaben. Sachsenforst warnt so vor Fällarbeiten, die gerade an mehreren Stellen in der Heide stattfinden. Doch nicht alle Wanderer und Radfahrer halten sich an das Verbot. "Das behindert unsere Arbeiten sehr und die Leute begeben sich in große Gefahr, wenn sie unter herabstürzende Bäume geraten", sagt Forstdirektor Heiko Müller.

Diese Warnschilder in der Heide, die auf den Einschlag hinweisen, werden oft ignoriert, sagt Forstdirektor Heiko Müller.
Diese Warnschilder in der Heide, die auf den Einschlag hinweisen, werden oft ignoriert, sagt Forstdirektor Heiko Müller. © Marion Doering

Er zeigt auf große, stattliche Fichten, über 100 Jahre alt. Auf den normalen Waldbesucher wirken sie gesund, haben Maiwuchs und Zapfen gebildet. Doch wer dicht an die Bäume herangeht, erkennt braunes Mehl am Fuße des Stammes, das aussieht wie Kaffee. Zudem rieseln Nadeln herab. Der Borkenkäfer frisst seine Gänge unter der Rinde und legt seine Eier darin ab. Die von der Trockenheit geschwächten Bäume haben keine Chance mehr, werfen die Rinde ab und sterben. Seit zwei Wochen suchten Waldarbeiter, Revierförster und Kollegen aus der Verwaltung Fichten mit frischem Käferbefall. "Wir müssen die Bäume jetzt fällen, sonst fallen sie um", sagt Müller.  Nicht auszudenken, was auf den vielgenutzten Waldwegen passieren würde. Der Forstwirt appelliert an die Dresdner, die Warnschilder nicht zu ignorieren und Umwege in Kauf zu nehmen. 

Am Fuß gesund aussehender Fichten findet sich Fraßmehl vom Borkenkäfer, dass wie Kaffee aussieht.
Am Fuß gesund aussehender Fichten findet sich Fraßmehl vom Borkenkäfer, dass wie Kaffee aussieht. © Marion Doering

Tausende Quadratmeter Holz

Besonders schmerzlich sei der dramatische Borkenkäferbefall im Prießnitzgrund in Klotzsche. "Dort sind jetzt auch auf den kühlen Talstandorten die Fichten befallen. Das sind zum Teil 150-jährige Bäume, 40 Meter lang, die natürlich auch den Charakter des schönsten Teils der Heide ausmachen", sagt Müller. Eigentlich war vorgesehen, diese Bäume gar nicht zu nutzen. Sie sollten noch viele Jahre das Waldbild prägen. 

Doch nun sind die Lehrlinge des Forstbezirk und die Firma Ufer seit vergangener Woche dabei, dort das Holz einzuschlagen. Und nicht nur dort kreischen die Sägen. Allein im Revier Ullersdorf sind seit drei Wochen schon etwa 2.500 Festmeter Fichte eingeschlagen worden, das sind rund 1.800 Bäume. Ein Ende ist noch nicht abzusehen. "Im Revier Bühlau rechnen wir mit mindestens 1.500 Festmetern, auch in Langebrück sollen in den nächsten Wochen 2.000 Festmeter Käferholz geschlagen werden", sagt Müller. Einziger Trost sei, dass das Holz wird zum großen Teil von heimischen Sägewerken für Häuser in der Region verarbeitet.

In die Fraßgänge in der Rinde legt der Borkenkäfer seine Eier ab.
In die Fraßgänge in der Rinde legt der Borkenkäfer seine Eier ab. © Marion Doering

Um das viele Holz einschlagen zu können, hat Müller zusätzlich zwei große Fällmaschinen, sogenannte Harvester, in die Heide geholt worden. Inzwischen arbeiten drei Maschinen täglich bis zu 500 Festmeter befallene Fichten auf. 

Müller ist wenig optimistisch, die Baumart in der Heide halten zu können. Wenn sich das Klima nicht grundlegend ändere, gebe es schon in fünf Jahren hier keine Fichten mehr, prognostiziert der Forstdirektor. Die Witterung der letzten Monate hat leider nicht die erhoffte Entspannung in den Wäldern gebracht. Extreme Trockenheit im März und April und hohe Temperaturen hätten das Niederschlagsdefizit im Boden weiter verschärft. Der Regen der letzten Wochen hat nur in den obersten Bodenschichten gewirkt. "Davon profitieren eigentlich nur die gerade gepflanzten Bäumchen." 

Hinzu kommt, dass der Borkenkäferbefall dieses Jahr sehr früh eingesetzt habe und sich die Tiere explosionsartig vermehren. Doch Chemie einzusetzen, lehnt Sachsenforst bereits seit 2002 ab. "Es würde auch gar nichts bringen, sondern nur Vögel und nützliche Insekten töten", sagt Müller. Denn die Fichten stehen weit verteilt in der Heide und man könnte sich nicht auf einzelne Areale beschränken. Ein natürlicher Feind der Baumkiller sei der Ameisenbuntkäfer. Doch auch sein Einsatz sei bei dem großflächigen Befall wohl nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Handtellergroße Gefahr

Sorgen macht Müller und seinen Revierförstern auch ein zweiter Schädling, dessen Bestände in den vergangenen fünf Jahren enorm zugenommen haben: der Eichenprozessionspinner. Seine Gespinste finden sich derzeit an vielen Eichen in der Heide. Problematisch im Kontakt mit dem Menschen sind die Brennhaare der Raupen des Nachtfalters. Sie enthalten ein Nesselgift, das zu Hautausschlägen mit starkem Juckreiz führt. Werden die giftigen Härchen eingeatmet, können sie Atemnot, Asthma-Anfälle oder einen allergischen Schock auslösen, der  lebensbedrohlich sein kann. Ein kleiner Windstoß reicht aus, um die feinen Härchen bis zu hundert Meter durch die Luft zu transportieren. 

"Wir lassen die Nester in Bereichen entfernen, wo Schulen, Horte oder Kindergärten angrenzen", sagt Bühlaus  Revierförster Thomas Stelzig. Das übernimmt unter anderem die Firma Alpintechnik von Matthias Dittrich für Sachsenforst. Dazu setzt er eine Hochviskoseflüssigkeit ein, die auf die Härchen gesprüht wird, damit sie nicht wegfliegen können. Das Mittel härtet aus und die Tiere können unter Schutzbekleidung entfernt werden. Das könne man jedoch nicht mit jedem Nest mitten im Wald machen, weil es auch kostenintensiv ist, sagt Stelzig. Jeder Heidebesucher soll deshalb achtgeben auf etwa handtellergroße Gespinste, die wie ein dickes, gewölbtes Spinnennetz aussehen. Darunter verbergen sich die Raupen. Den Nestern sollte man auf keinen Fall zu Nahe kommen. Eichen können sie bei starkem Befall kahl fressen.

Ein Nest des gefährlichen Eichenprozessionsspinners. Kommt man in Berührung mit den Brennhärchen der Raupen kann es zu starken Ausschlägen kommen. Noch schlimmere Folgen hat es, wenn die Haare eingeatmet werden.
Ein Nest des gefährlichen Eichenprozessionsspinners. Kommt man in Berührung mit den Brennhärchen der Raupen kann es zu starken Ausschlägen kommen. Noch schlimmere Folgen hat es, wenn die Haare eingeatmet werden. © Marion Doering

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