Die Drei von der versteckten Tischlerei

Vorne pfui, hinten hui: Vor dem Gelände der alten Papierfabrik in Dohna vermutet keiner, was einen dahinter in strahlendem Orange-Ocker ihn grüßt. Eine Tischlerwerkstatt. Nicht nur das, es ist auch noch eine, deren Geschäft richtig gut läuft. Und das, obwohl die meisten Kunden noch nie persönlich hier waren. 70 Prozent von ihnen leben nämlich in Berlin und den alten Bundesländern. Als Sebastian Gawel vor vier Jahren in Dohna begann, waren es nach einem Jahr schon rund 40 Prozent.
Im Frühsommer hat Gawel einen Termin in Regensburg. Dort will er einen Esstisch aus Nussbaum aufbauen. So ein edles Stück für rund 2.500 Euro schickt man nicht mit der Post. Die Kunden seiner bisher größten Herausforderung kamen aus Dresden. Die wollten einen Einbauschrank mit Doppelhochbett und Treppe im Schrank. Für Gawel kein Problem. Sie alle finden ihn im Internet.
Der Chef auf dem Weg zum Meister
Ein Dresdner Ehepaar kommt dieser Tage persönlich vor. Alte Kunden. Sie bringen zwei Kisten, die Gawel ihnen getischlert hat. Der Kunde hatte sich vermessen, nun müssen die Kisten kürzer werden, damit sie unter die Bank passen, unter die sie geschoben werden sollen. Außerdem sollen noch Deckel dazu. Aktuell arbeiten Gawel und seine beiden Mitarbeiter auch an einer Komplettausstattung für ein Dresdner Reisebüro. Das hat den Auftrag nicht storniert. Für die Kompletteinrichtung einer Eigentumswohnung in Dresden ist Gawel sogar Generalauftragnehmer, koordiniert also die Arbeiten der verschiedenen Subunternehmer.
Man mag meinen, Corona geht an Gawels Tischlerei spurlos vorbei. Nicht ganz, sagt Gawel. Der Messebau und die Gastronomie zum Beispiel sind weggefallen. Nur für eine Ferienwohnung in Waitzdorf stehen aufgearbeitete Kleinmöbel fast fertig bereit. Eine Ausstellungssäule entsteht gerade. Sie geht nach Rüdenhausen bei Würzburg. "Und raten Sie mal wofür sie ist? Für Desinfektionsmittel zum Draufstellen."
90 Prozent dessen, was Gawel, Geselle Marcel Hesse und Lehrling Laurin Stoeckmann tischlern, sind individuelle Anfertigungen. Da ist viel Beratung, Planung dabei. Und der Kundenkreis wächst. Parallel dazu hat Sebastian Gawel mit seiner Meisterschule begonnen. Zwei Jahre noch, dann muss er sein Meisterstück vorlegen. So wie der Lehrling jetzt an seinem Gesellenstück arbeitet. Er hat sich für einen Einbauschrank für sich selbst entschieden. Gawel hat noch Zeit, sich zu entscheiden, tendiert aber schon jetzt für etwas für den Eigengebrauch. Doch bevor er Meister ist, will er wieder einen Tischler ausbilden. Vielleicht bewirbt sich einer von denen, die schon als Praktikant bei ihm waren. Vielleicht sind die "Drei von der Tischlerei" auch bald zu viert...
Warten auf den versprochenen Besuch
Sebastian Gawel hat das Gebäude, das von der Straße nicht sichtbar ist und auf dass er damals durch ein Schild aufmerksam wurde, schrittweise aus- und umgebaut. In zwei der drei Räume stehen die kleineren und größeren Maschinen, der dritte Raum ist das Lager und die Versandabteilung. Hier stehen auch ein größeres Boot, zwei Fahrräder und zwei Paddelboote. Das Paddeln und Radfahren ist Gawels Hobby, das Boot eine kleine Zusatzarbeit, bei der er seinen ersten Beruf Maschinenbauer mit dem Tischlerhandwerk kombinieren kann. Als nächstes werden der Aufenthaltsraum und der Sanitärbereich ausgebaut. Spätestens wenn der fertig ist, hofft Gawel, dass Bürgermeister Ralf Müller (CDU) sein Versprechen, ihn mal zu besuchen, wahrmacht.
Ein Mann kommt vorbei, sagt Hallo. Er will auch was, ist aber kein richtiger Kunde. Er holt von Zeit zu Zeit Hobelspäne für seine Wachteln. An andere gibt Gawel sie für Hasen Hühner und Pferde ab. So was nennt man Kreislauf- oder nachhaltige Wirtschaft, sagt er.
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