Von Peggy Zill und Claudia Max
Als Julia W. den Verhandlungssaal betritt, sitzt die 59-Jährige dem Mann gegenüber, der ihr einmal derartige Todesangst eingejagt hat, dass sie noch heute arbeitsunfähig ist. Es war der 24. Mai 2012. Die Verkäuferin war allein in der Tankstelle in Trebsen bei Grimma, als sich ein Mann mit Skimaske näherte. Bis zuletzt hatte sie gehofft, dass er sie noch absetzt. Stattdessen hielt er ihr eine Waffe vor die Nase und schrie „Geld her oder ich schieße“.
Der Maskierte war David F. Er ist der Hauptbeschuldigte im Prozess um die Überfälle auf Tankstellen und Supermärkte in der Region Döbeln und Muldental im vergangenen Jahr. Julia W. tritt jetzt als Nebenklägerin auf. Auf die Frage, wie sie sich bei dem Überfall fühlte, antwortet sie, dass man das nicht beschreiben könne. „Das muss jeder selbst erleben, was ich niemandem wünsche.“ Zwei Monate lang ging sie trotzdem noch arbeiten. Dann ließ sie sich krankschreiben. Monatelang traute sie sich nicht allein aus dem Haus, litt unter Schlafstörungen. Heute macht sie eine Therapie.
Als Julia W. im Zeugenstand sitzt, entschuldigt sich David F.: „Es tut mir fürchterlich leid, was ich Ihnen angetan habe. Wenn ich es rückgängig machen könnte, würde ich es tun.“
Die Raubzüge sollen nicht seine Idee gewesen sein. Angeblich war Pierre T. der „Strippenzieher“, sagt der 21-Jährige. Er soll T. in einer Spedition kennengelernt haben. David F. war dort Lehrling, Pierre T. sei zunächst als Freigänger der JVA Waldheim dort beschäftigt gewesen. Später habe man ihn eingestellt. Die beiden hätten gemeinsam Bodybuilding betrieben. Pierre T. soll David F. muskelaufbauende Substanzen besorgt haben. „Nach einer Weile wollte ich darauf nicht mehr verzichten, denn es hat ja geklappt“, so der Angeklagte. Mit seinen 400 Euro Lehrlingsgehalt konnte er die Mittelchen aber bald nicht mehr bezahlen. T. hätte ihm dann erklärt, wie er zu Geld kommen könnte. Weil er noch unter Bewährung stand, wollte T. sich nicht selbst die Finger schmutzig machen.
Er hätte aber die Ausrüstung organisiert, Hinweise gegeben, die jugendlichen Räuber in manchen Fällen zu den Tankstellen gefahren. Nach fast jeder Tat habe T. einen Teil der Beute kassiert, so David F. Angeklagt ist T. jedoch nicht. Er habe gestern zum ersten Mal ausgesagt, erklärt sein Anwalt. Pierre T. tauche in den Akten bisher nur als Zeuge auf.
Der Staatsanwalt will David F. die Geschichte vom „Mastermind“, das im Hintergrund agiert, nicht abkaufen. Die Ermittler haben ihn einige Zeit abgehört. Von einem Pierre T. sei nie die Rede gewesen. „Die anderen wussten auch nichts von ihm“, so der Hauptbeschuldigte.
Seine Komplizen lernte David F. auf einer Party kennen. Einer von ihnen, Denis W., habe ihn schließlich auch auf die Idee gebracht, von Tankstellen zu Supermärkten zu wechseln. W. soll ein Praktikum bei Penny gemacht und dadurch gewusst haben, wann genügend Geld in der Kasse ist. „Irgendwann machte es mir aber keinen Spaß mehr. Das wurde mir psychisch zu viel“, begründete David F. das Ende der Raubzüge.
Die Staatsanwaltschaft allerdings vermutet einen anderen Grund: „Drogen waren eine bessere Einnahmequelle.“ David F. soll danach mit ihnen gehandelt haben. Zwischen Juli und September 2012 hatte er fünfmal Crystal bei sich – im Einkaufswert von insgesamt rund 14 600 Euro. David F. wird sich auch dafür verantworten müssen. Im Prozess zu den Raubüberfällen könnte ein Urteil im April fallen.