Hier gab es Tote im Schloss

Eine junge Frau klettert mühsam aus einem Unfallauto. Sie schleppt sich ins Gebüsch und steht plötzlich vor einem heruntergekommenen „Waldhotel“. Sie tritt durch das Portal, läuft vorbei an mit Tüchern verhüllten Möbeln, alles leer und verlassen. Plötzlich ein Vorhang aus Folie. Sie tritt hindurch und sieht einen Mann schwer atmend unter einer Plastikplane.
9,67 Millionen Zuschauer haben den jüngsten Dresden-Tatort „Das Nest“ am vergangenen Sonntag gesehen. Und wer hat erkannt, dass einer der Drehorte Schloss Helmsdorf bei Stolpen war? Ulli Treptow auf jeden Fall. Er war sich von den ersten Sequenzen an vollkommen sicher, schrieb deshalb auch eine E-Mail an die SZ. Ohne ihn wäre wohl dieser Drehort verborgen geblieben. Denn im Film wurde nur die weniger bekannte Parkansicht gezeigt. Und wie das Schloss innen aussieht, wissen nur wenige. Darüber hinaus hüllt sich die Produktionsfirma bezüglich der Drehorte in Schweigen. Und deshalb bleibt es auch ein Geheimnis, weshalb die Scouts gerade auf Schloss Helmsdorf als Drehort gestoßen sind.
Selbst in Helmsdorf schienen die Dreharbeiten von außen offenbar unbeobachtet geblieben zu sein. Für Ulli Treptow jedenfalls brachte der Tatort nicht nur einen Gruselkick, sondern auch Erinnerungen an seine Hochzeit am 6. Juni 2009. Die feierte er mit seiner Frau Anna im Schloss Helmsdorf. „Die Ehe hält und hat drei wunderbare Jungs hervorgebracht“, schreibt er in seiner E-Mail. Das Gebäude sei damals schon voll morbiden Charmes gewesen. Und den sah der geneigte Fernsehzuschauer dann auch im aktuellen Tatort, einem Mix aus Krimi und düsterem Psychothriller. Denn während der Ermittlungen kommen grausame Details zutage. Als das Ermittlerteam hinter ein Bücherregal greift, dreht sich das. Ob das im wahren Schlossleben auch so ist, ist unbekannt. Dahinter wird im Film der Blick auf eine groteske Szenerie frei: Tote wurden sorgsam konserviert, hergerichtet und in Szene gesetzt. Zwei weibliche Leichen sitzen an einem Esstisch, an einer gedeckten Kaffeetafel. Zwei männliche Tote sitzen auf einem Sofa, bei einer Schüssel Knabbereien und leeren Gläsern. Zwischen ihnen ist noch ein Platz frei. Wer den Tatort verpasst hat, kann ihn noch über die ARD-Mediathek ansehen.
Um das Schloss Helmsdorf schwebt übrigens schon immer etwas Geheimnisvolles - und auch Rätselhaftes. Die Geschichte des Schlosses beginnt um 1223 mit der ersten urkundlichen Erwähnung. Im Laufe der Jahrhunderte hatte es viele Besitzer. Das änderte sich erst, als 1937 die sächsische Bäckerinnung das Anwesen erwarb. Es wurde seitdem als Meisterschule genutzt. Unzählige angehende Bäckermeister und Konditoren haben im Schloss ihre Meisterwerke produziert und ausgestellt. Noch heute befindet sich ein entsprechender Schriftzug an dem lang gestreckten Gebäude rechts des Einganges. Darüber hinaus wurde es von der Handwerkskammer auch als Schulungsobjekt genutzt.

Die Meisterschule wird bis in die Wendezeit genutzt. Dann allerdings baut die Innung in Dresden neu. Das Schloss steht leer. Kurz nach der Wende gab es dann Interessenten, die aus dem Schloss eine Seniorenresidenz machen wollten. Die Pläne gingen schief. Das Areal blieb lange Zeit ohne Besitzer. 1999 kauft Fritjof Allwardt, ein Berliner Kunstinteressierter und Weltreisender, Schloss und Parkanlagen und gründet den Verein „Künstler- und Kulturvereinigung“. Er organisierte hier Barockfeste, Konzerte und Lesungen, allerdings nur sporadisch. Auf Immobilienseiten wird das Schloss derzeit wieder zum Verkauf angeboten.
Ein Verkaufspreis war aber nicht in Erfahrung zu bringen. In einem Exposé-Auszug steht zu lesen: „Das Schloss steht auf einer vulkanen Anhöhe und bietet vom nahe gelegenen Fluss aus einen erhabenen Anblick, insbesondere dann, wenn es angeleuchtet wird. Der Fluss (gemeint ist die Wesenitz) umringt das Schloss und den Schlosspark auf einer Entfernung von rund 850 Metern.“ Wer das Schloss kauft, erwirbt viel Historie mit. Und nun auch ein Gebäude mit Filmgeschichte.