Von Manfred Müller
Versicherungen neigen bekanntermaßen zur Zahlungsunwilligkeit. So auch bei einem tödlichen Verkehrsunfall, der sich vor zwei Jahren nahe Naundorf bei Ortrand ereignet hatte. Ein Mann war mit seinem Mitsubishi-Jeep von einem Waldweg auf die Hauptstraße gefahren und dort in einen Kieslaster gekracht. Er überlebte den Zusammenstoß mit dem schwer beladenen Transporter nicht. Auf den ersten Blick schien die Schuldfrage klar: Das Unfallopfer hatte die Vorfahrt nicht beachtet.
Schmerzensgeld wurde gezahlt
Bei näherer Untersuchung stellte sich aber heraus, dass der Lkw-Fahrer die erlaubte Geschwindigkeit überschritten hatte. Für Lastkraftwagen war sie an dieser Stelle auf 40 Kilometer pro Stunde begrenzt. Laut einem Gutachten aber fuhr der Kiestransporter mindestens Tempo 63. Ein Strafprozess gegen den Fahrer vor dem Amtsgericht Riesa endete im Juni mit einem Vergleich.
Er zahlt den Hinterbliebenen des Unfallopfers eine Art Schmerzensgeld in Höhe von 1500 Euro (die SZ berichtete). Das hätte der Königsbrücker Kraftfahrer Frank G. angesichts der verworrenen Umstände bei der Unfallaufklärung eigentlich nicht tun müssen. „Aber wir wollten die Sache nach zwei Jahren endlich abschließen“, erklärt G.´s Anwalt Dietrich Dose. Die psychische Belastung für seinen Mandanten sei über diese lange Zeit unerträglich geworden.
Vor dem Dresdner Landgericht ging es nun um den Schaden am Kiestransporter, der durch den Unfall verursacht wurde. Er gehört dem Radeburger Fuhrunternehmer Klaus P., und der hatte gehofft, dass die 10 000 Euro Reparaturkosten von der Haftpflichtversicherung des Unfallopfers reguliert werden. Aber die Allianz stellte sich stur und verweigerte die Zahlung. Deshalb klagte P. die Schadensregulierung ein. Normalerweise werden Zivilprozesse, in denen es um Geld geht, mit einem Vergleich abgekürzt. Den bot der vorsitzende Richter Olaf Becker den Beteiligten zunächst auch an. Rechtsanwalt Dietrich Dose, der vor Gericht auch die Interessen des Fuhrunternehmers vertritt, wäre mit einer Übernahme von 80 Prozent der Kosten durch die Allianz auch zufrieden gewesen. Deren Anwalt aber lehnte das Angebot rundweg ab.
Um seine etwas skurrile Begründung zu verstehen, muss man die Umstände des Unfalls bei Naundorf noch einmal näher beleuchten. Es war nämlich gar nicht so klar, wodurch der Jeep-Fahrer sein Leben verlor. Der 69-jährige Siegfried S. trug einen Herzschrittmacher. Nach Angaben des Lkw-Fahrers lag er, als sein Fahrzeug vom Waldweg auf die Straße schoss, auf dem Beifahrersitz. Es sei also durchaus möglich, so Dietrich Dose, dass er einen Herzinfarkt erlitten hatte, bevor der Unfall passierte. Vielleicht sei er gar schon tot gewesen. Gerichtsmedizinisch nachweisen ließ sich der genaue Todeszeitpunkt allerdings nicht.
Der Herzschrittmacher hätte ebenso durch den Aufprall zerstört worden sein können. Allianz-Anwalt Nienhagen machte sich allerdings die Vermutung zu eigen, dass der Fahrer bereits tot war, als sein Jeep auf die Hauptstraße rollte. Und Tote, so der Rechtsanwalt, könnten nichts verschulden. Ergo sei die Versicherung außen vor.
Seine Ablehnung eines Vergleichs führte zu einer ermüdenden Sachverständigen-Anhörung, die nicht wirklich zur Aufklärung der Umstände beitrug, unter denen sich der Unfall ereignet hatte. Im Strafprozess hatte sich die Staatsanwaltschaft darauf konzentriert, dem Lkw-Fahrer eine Geschwindigkeitsüberschreitung nachzuweisen. Die wurde aber jetzt im Zivilprozess von der Klägerseite gar nicht bestritten. Dem Richter ging es wohl eher um eine Gewichtung der Mitschuld der beiden Beteiligten. Damit könnte er eine Summe festlegen, die die Versicherung letztlich an den Fuhrunternehmer zahlen muss. „Es wird am Ende wohl fünfzig zu fünfzig ausgehen“, vermutet Dietrich Dose. Die Urteilsverkündung soll Ende August erfolgen.