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Touristenfalle schnappt wieder zu

Ein Stromausfall legt halb Meißen lahm – auch den Aufzug am Burgberg. Drei Menschen stecken fest, weil die Technik für Notfälle nicht funktioniert.

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Von Christoph Scharf

Freitag, 8.45 Uhr. Auf einer Baustelle an der Fabrikstraße erwischt ein Bagger ein wichtiges Mittelspannungskabel. 20 000 Volt liegen dort an. Weil die Isolierung hin ist, kommt es zu einem Erdschluss – einer Art Kurzschluss mit dem Erdreich. Das löst eine kurzzeitige Überlastung im Meißner Stromnetz aus. Die Folge: eine Kettenreaktion. Die schwächste Stelle, eine Stromstation auf der anderen Elbseite, am Jüdenberg in der Altstadt, fällt aus. Und darauf auch der Strom in weiten Teilen der Stadt – in Winkwitz und Rottewitz, an der Elbtalstraße und der Elbtalbrücke, im Schottenbergtunnel und an der Leipziger Straße, in der Altstadt samt Neugasse und Am Mühlgraben, auch in Teilen von Cölln. Tausende Meißner sind vom Stromausfall betroffen. Zwei Frauen und ein Mann aber ganz besonders: Sie stecken im Panoramalift am Burgberg fest. Auf halber Höhe. 34 Grad sind für den Tag angesagt.

Burgberg, 8.55 Uhr. Kurz vor 9 Uhr liegt das Meisatal zum Glück noch im Schatten. Glück im Unglück: Die Alarmierung des Notdienstes aus der gläsernen Kabine funktioniert auch ohne Strom. Der Aufzug allerdings nicht, genauso wenig die Klimaanlage. Schon nach vier Minuten trifft ein Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma ein. Den Aufzug am Burgberg kennt er längst – und auch seine Tücken. Er verschwindet im Untergeschoss der Talstation, wo die Technikräume sind. Tatsächlich gibt es für solche Fälle einen Notablass. Per Handkraft sollte man den Aufzug manuell auch ohne Strom nach unten bringen können. Doch die Technik spielt nicht mit: Eine Sicherheitseinrichtung, die ein Abstürzen des Aufzugs verhindern soll, löst aus. Sie klemmt das Seil fest. Selbst mit purer Gewalt lässt sich hier nichts machen. Der Aufzug bleibt auf halber Strecke stecken – genauso die drei Menschen, die sich den Platz in der Kabine mit einem Fahrrad teilen müssen.

Meisatal, 9.10 Uhr. Außer dem Sicherheitsdienst sind ein Stadtrat und mehrere Medienvertreter eingetroffen. Tun können sie genauso wenig wie die Mitarbeiter des Panoramaaufzugs. Auch ein Anruf bei der Feuerwehr hilft nicht weiter: Die Leitstelle ist längst von der Panne im Lift informiert.

Meisatal, 9.24 Uhr.Unterdessen ist Meißens OB Olaf Raschke (parteilos) am Aufzug angekommen. Gemeinsam mit Karl-Heinz Gräfe, dem Chef der städtischen Betriebsgesellschaft SDM, inspiziert er die Anlage. Lösungsmöglichkeiten werden diskutiert – der Aufzug steht.

Meißen 9.42 Uhr. Jetzt geht die Meldung über den Aufzug auf den Piepern der Feuerwehr ein. Wenig später sind drei Wagen mit neun Kameraden vor Ort. Doch auch sie können gegen die Technik nichts ausrichten. Es bleibt nur der klassische Weg: Mit Steckleitern einen Notzugang am Steilhang aufzubauen, um den Eingeschlossenen als Erstes Frischluft zu ermöglichen. – Zu den Feuerwehr-Fahrzeugen haben sich jetzt auch ein Rettungswagen und ein Streifenwagen gesellt. Zwei Polizisten stellen sich auf die Meisastraße, um den entstandenen Stau aufzulösen: Weil die Feuerwehr einen Fahrstreifen blockiert, gerät der Verkehr ins Stocken.

Burgberg 9.54 Uhr. Auf halber Höhe erreichen die Retter mithilfe mehrerer Leitern die Aufzugskabine. Das Beil zum Einschlagen der Verglasung kann stecken bleiben: Immerhin funktioniert von außen die Notöffnung der Aufzugstür. Nach und nach werden die beiden Frauen, der Mann und das Fahrrad nach unten bugsiert. Wie geht’s ihnen nach mehr als einer Stunde im Aufzug? „Kein Kommentar“, sagt eine Betroffene, die offenkundig genug vom Thema Panoramalift hat.

Meißen, 11.15 Uhr. In fast der ganzen Stadt ist wieder Strom da – die Mitarbeiter der Stadtwerke haben sich beeilt. Auch der Aufzug soll bald wieder fahren, versichern die alarmierten Monteure. Folgen wird die jüngste Panne trotzdem haben.