Touristiker in Polen und Tschechien hoffen auf Gästetreue

Krisensitzung auf Schloss Łomnica (Lomnitz) in Polen. Das Hotel- und Gaststättenteam der beliebten Anlage im Hirschberger Tal nahe Jelenia Góra hat sich um Chefin Elisabeth von Küster versammelt. Sie sitze jetzt „hinter dem Eisernen Vorhang“, wie sie am Telefon sagt. Und muss entscheiden, wie es vor Ort weitergeht. Denn die Grenze ist dicht. Die SZ gibt einen Überblick über die Lage, die Rechte von Reisenden und die Sorgen der Branche.
Die Lage: In Polen und Tschechien sind Grenzen zu, teils gilt Ausgangssperre
Seit dem 15. März, 0 Uhr, ist die Einreise nach Polen an den Grenzübergängen mit Deutschland für Ausländer nur noch in Ausnahmefällen möglich, wie das Auswärtige Amt informiert. Vorerst bis 24. März laufen wieder Grenzkontrollen. Von der Oberlausitz aus kommen unter anderem Ausländer mit Aufenthaltserlaubnis oder mit Arbeitsgenehmigung noch an den Übergängen Jêdrzychowice an der Autobahn bei Görlitz sowie bei Wêgliniec-Horka ins Nachbarland. Allerdings gibt es immer wieder lange Staus.
Die Regeln gelten zunächst für zehn Tage, können aber verlängert werden. Geschlossen wurden zudem alle öffentlichen Einrichtungen sowie private Sport- und Freizeitzentren, Restaurants und Bars. Hotels dürfen öffnen, Gäste aber nur auf den Zimmern essen. In Tschechien ist es Hotels und Pensionen verboten, bis 24. März Übernachtungen zu verkaufen. Bis dahin gilt weitgehend eine Ausgangssperre. Ausländer ohne gültigen Aufenthaltsstatus dürfen 30 Tage lang nicht einreisen. In der Oberlausitz können Berufspendler aber die Grenzübergänge Neugersdorf und Lückendorf/Petrovice nutzen. Geschäfte, Restaurants, Bars und Cafés sind geschlossen, ebenso Zoos, Museen und andere Freizeiteinrichtungen. Veranstaltungen sind abgesagt, dazu gehören auch die beliebten Ostermärkte.
Die Gastgeber: Hotels hoffen auf Hilfen vom Staat und treue Gäste
Nach einem eher verhaltenen Wintergeschäft, weil vielerorts der Schnee fehlte oder sehr spät kam, trifft der Ausnahmezustand die Tourismusbranche in Polen und Tschechien hart. Der Saisonstart der tschechischen Schlossmuseen wird verschoben; so fehlen Gäste, die Geld in die teuren Anlagen bringen. Der Frühling mit den Ostermärkten ist zudem eine beliebte Zeit für Kurzreisen in die Nachbarländer. Doch das ist nicht möglich. Das Schlosshotel Pakoszów (Wernersdorf) im Hirschberger Tal hat darum ab sofort für mindestens zwei Wochen geschlossen, so Gäste-Managerin Agata Rutkowska.
Kein Einzelfall, wie die Lomnitzer Schlossherrin Elisabeth von Küster weiß. Fast alle Hotels verfahren so. Auch Gebirgsbauden seien für Wanderer nicht mehr zugänglich. Restaurants könnten theoretisch Catering anbieten und den Menschen das Essen beispielsweise durch Fenster verkaufen. „Aber wer tut das?“
Die von Küsters haben aus einer Ruine in den letzten Jahrzehnten ein Hotel mit Restaurant und einen Gutshof mit Läden samt Gastronomie geschaffen. Viele Gäste kommen aus Deutschland. Nach den Ankündigungen der Grenzschließung „sind sie am Sonnabend alle sofort abgefahren“, sagt Elisabeth von Küster. Polnische Gäste kommen gar nicht erst und fragen auch nicht an. „Sie müssten ja unter anderem die Mahlzeiten auf den Zimmern einnehmen, wer möchte das schon?“, so die Schlosschefin. Darum ist auch Lomnitz geschlossen.
Den traditionellen Ostermarkt Ende März hatten die von Küsters schon vor der Grenzschließung abgesagt. „Es ist jetzt nicht die Zeit zum Feiern“, so der Grund. Eine derart radikale Lage sei immer schwierig. „Aber jetzt kommt das für uns besonders ungünstig.“ Denn das Hirschberger Tal sei keine klassische Wintersportregion. In der kalten Jahreszeit zehren die Häuser hier meist von den Sommerreserven. „Die sind aufgebraucht. Wir müssen jetzt also versuchen, Kosten zu sparen. Und wir hoffen auf staatliche Hilfen.“ Allerdings seien die für Polen bislang nur wage zugesagt, besonders für den Tourismusbereich. Für Elisabeth von Küster sei es ganz wichtig, jetzt ihren oft langjährigen Mitarbeitern eine Perspektive zu erhalten.
Tschechien ist in Sachen Wirtschaftshilfe weiter und hat unter anderem ein Darlehensprogramm aufgelegt. Viele Hotels hier sind ebenfalls zu. In Frýdlant (Friedland) weist das Hotel Antonie auf der tschechischsprachigen Version der Internetseite zwar darauf hin, auf der deutschsprachigen nicht. Da kann man sogar noch Buchungsanfragen für März stellen.
Beim Hotel auf dem Jeschken bei Liberec (Reichenberg) gibt es Unklarheiten. Dort heißt es im Netz, das Restaurant sei zu. Da die Regierung Hotels aber nicht zur Schließung verpflichte, bleiben gebuchte Übernachtungen gültig. Man passe gut auf die Gäste auf. Neue Buchungen werden nicht angenommen. Telefonisch erreichbar war dort zunächst niemand.
„Wir haben geschlossen, wie überall in Tschechien. Im Land herrscht seit Montag Quarantäne. Man darf nur auf Arbeit und zum Einkaufen“, sagt Jiøí Rippl vom Hotel Kristín Hrádek im Elbsandsteingebirge an der Grenze zu Sachsen. „Alle Reservierungen bis 24. März wurden storniert und die Gäste bekommen ihre vollen Vorauszahlungen zurück. Wie es dann weitergeht, müssen wir abwarten“, sagt Rippl. Doch auch für den Fall, dass Gäste im Hinblick auf die unsichere Lage ihre Reservierungen im April stornieren, haben sie ein Recht auf volle Rückzahlung, so Rippl weiter: „Das ist ja weder ihre noch unsere Schuld.“
Die Reisenden: Urlauber können meist kostenlos stornieren oder umbuchen
Auch viele polnische Hotels, so Lomnitz und Schloss Pakoszów, bieten an, kostenlos zu stornieren oder umzubuchen. „Wir wollen jetzt niemanden zusätzlich belasten und hoffen auf treue Gäste, die nach der Krise wiederkommen“, sagt Elisabeth von Küster. Rechtlich befindet sich der Reisende in einer Grauzone, wie die Sächsische Zeitung erfuhr. Es komme auf die Art der Buchung an. Da die Grenzen zu sind und Urlauber jetzt schlicht nicht zum Zielort kommen, können Pauschalreisen nach Polen und Tschechien kostenlos storniert oder umgebucht werden, wie Claudia Neumerkel von der Verbraucherzentrale sagt.
Das gelte mit Blick auf die aktuelle Situation auch für Hotels und Ferienwohnungen. „Wenn die Buchung nach deutschem Recht erfolgt ist.“ Bei reinen Hotelbuchungen gilt, laut ADAC, normalerweise ausländisches Recht. Aber, da im aktuellen Fall das gebuchte Zimmer in einem gesperrten Gebiet liegt, sollte der Anbieter dennoch nicht die Kosten für die Leistung verlangen dürfen, heißt es.
Sinnvoll sei es, bei Individualreisen vor Ort nachzufragen, so raten Touristiker. Die Tschechische Zentrale für Tourismus verweist darauf, dass Kuraufenthalte teils nur umgebucht werden können – auf den Herbst zum Beispiel. Reiseveranstalter bieten meist kostenlose Stornierungen an. So Senfkorn Reisen in Görlitz, die viele Touren nach Polen im Programm haben. Der Anbieter verschiebt zudem alle Termine bis Ende Mai auf Ende Juni. Urlauber könnten ihre Tour zu einem anderen Zeitpunkt machen. Nach jetzigem Stand sollen für Juni geplanten Reisen stattfinden.
Die Reiserücktrittsversicherung hilft im Fall von Corona übrigens nur, wenn der Gast, der gebucht hat oder mitreisende Angehörige, krank sind.
Die Folgen: Tschechien rechtet mit einem Schaden von 1,2 Milliarden Euro
Elisabeth von Küster hat trotz der schwierigen Lage für ihr Unternehmen Verständnis für die Maßnahmen der polnischen Regierung. Gerade mit Blick auf das Gesundheitssystem – das könne sehr viele plötzlich Erkrankte wohl nur schwer angemessen behandeln. „Allerdings ist die Frage, inwieweit die langfristigen wirtschaftlichen Folgen uns nicht härter werden“, so Elisabeth von Küster. Das lasse sich für Polen noch nicht sagen.
Die Tschechische Tourismus-Zentrale hat für Tschechien erste Zahlen. 600 befragte Hotel- und Pensionsbetreiber gaben an, dass der Anteil ausländischer Gäste um 80 bis 100 Prozent gesunken sei; . Der Schaden für die Branche mit 250.000 Beschäftigten könne 1,2 Milliarden Euro betragen.
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