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Trauben-Pflücken wie früher

Anja und Florian Fritz kamen aus Berlin an die Sächsische Weinstraße. Seit sechs Jahren bauen sie Wein im Spaargebirge an.

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Von Sandro Rahrisch

Aussteigergeschichten sieht man sonst nur im Fernsehen. Doch es gibt sie auch ganz nah vor der eigenen Haustür: Als Anja und Florian Fritz vor acht Jahren die Metropole Berlin verließen, war es ein Abschied ohne Rückkehr. Das Ehepaar kündigte Wohnung und Jobs – sie war als Fremdsprachenkorrespondentin tätig, er als Wirtschaftsingenieur. Heute leben sie mit ihren Kindern Stina (5) und Emil (6) mitten im Weinberg. Ihre neue Heimat ist das Meißner Spaargebirge.

Einfache Weinbautechnik

Mit 1,2 Hektar Rebfläche gehört das Weingut Mariaberg zu den kleineren Weingütern entlang der Sächsischen Weinstraße. Früher gehörte es dem Ritter von Heynitz. Hier reifen Müller-Thurgau, Traminer, Goldriesling, Grau- und Weißburgunder. Vieles ist noch ursprünglich und nicht mit moderner Weinbautechnik überfrachtet.

Im Herbst, wenn die Lese beginnt, trommeln Anja und Florian Fritz all ihre Freunde zusammen. Auch die Pensionsgäste dürfen helfen. „Die Männer werden mit einer Butte, einem großen Lesebehälter, hoch in die Steilhänge geschickt“, sagt die 39-Jährige. Die Trauben werden schließlich vor dem Haus gemaischt. Dort gibt es einen kleinen Einstieg in den Keller, wo Edelstahltanks stehen. Doch bevor der Most über Schläuche nach unten fließen kann, muss der Wein gepresst werden. Wer dabei an eine romantische Tradition denkt, dem nimmt Anja Fritz den Wind aus den Segeln. Kein Wunder, denn gepresst wird mit Muskelkraft.

Mehr Ertrag als letztes Jahr

Noch wissen die Winzer nicht, was ihnen das Weinjahr bringt. Schlimmer als 2009 könne es nicht werden, sagt Anja Fritz. Damals sackte der Ertrag auf 20 Prozent ab. Spätfröste bis minus 26 Grad waren daran Schuld. Dieses Jahr begann die Weinblüte spät. Bis in den Juni hatten die Weinbauern mit viel Niederschlägen und fehlenden Sonnenstunden zu kämpfen. Deshalb wird sich die Lese wohl verzögern. Allerdings setzt sich das Ehepaar keinen festen Termin, wann mit der Ernte begonnen wird. Das Refraktometer entscheidet, wann es losgeht. Das Instrument misst den Zuckergehalt im Traubensaft. Ist ein bestimmter Grad erreicht, geben die Winzer den Startschuss. Übrigens: Je höher der Zuckergehalt ist, umso mehr Alkohol kann der Wein im Gärungsprozess bilden. Erfahrungen und ein glückliches Händchen sind also gefragt. Nach der Weinpresse beginnt die Arbeit im Keller.

Der Mariaweinberg ist eine kleine, grüne Oase. Nicht nur des Weinlaubs wegen. Zwischen den Rebstöcken sprießen in jeder zweiten Reihe Grashalme und Weinbergkräuter. Das ist keiner Unordnung geschuldet, sondern gewollt. Die Begrünung festigt den Boden und verhindert Erosion auf den Steilhängen– zum Beispiel durch Starkregen.

Das unmittelbar am Weinberg angrenzende Winzerhaus mit herausgearbeiteten Bruchsteinen und Naturholzverschalung im Obergeschoss ist frisch saniert. Und der Blick vom Mariaberg ist atemberaubend: Nur 300 Meter weit entfernt fließt die Elbe. Schaut man über den Fluss, blickt man geradezu auf das Siebeneichener Schloss, welches über die vielen Baumwipfel ragt.

Ein Glas Wein unterm Baum

Vom Weinbau allein kann die Familie nicht leben. Anja Fritz führt deshalb Touristen durch das Museum der Porzellanmanufaktur. Vor sechs Jahren eröffneten sie im Winzerhaus eine Pension, die zwischen April und Oktober ausgebucht ist.

Zum Tag des offenen Weingutes am Wochenende gewähren die Winzer einen Einblick in ihren Keller und führen über den Mariaberg. Zum Wein gibt es sächsische Käsespezialitäten. Außerdem locken Kaffee und Kuchen. Am Sonnabend, 12 und 15 Uhr, führt Anja Fritz im historischen Kostüm durch den Berg. Am Sonntag findet von 11 bis 14 Uhr ein Jazz-Brunch mit Live-Musik statt. Dabei ist niemand gezwungen, seinen Wein am Tisch zu genießen. „Wer es sich unterm Nussbaum, auf der Weinbergsmauer oder auf der Wiese bequem machen möchte, darf das“, sagt Anja Fritz.

Wer es nicht schaffen sollte vorbeizuschauen, für den stehen die Tore des Mariaberges ganzjährig offen. Die Familie ist auch auf dem Radebeuler Weinfest im September anzutreffen. Und zwar mit einem eigenen Ausschank.