Von Andreas Kirschke
Wittichenau. Ein Bus parkt gestern kurz nach acht am Markt. Christen aus der Region reisen in den Gebetsort Medjugorje (Bosnien). Eben haben sie zur Frühmesse für Johannes Paul II. gebetet. „Tragisch, dass er so viel leiden musste“, entfährt es Lucia Lange aus Wendischbaselitz. Wie unzählige Katholiken weltweit verfolgte sie die letzten Tage gebannt. Was ihr am Papst imponierte, bei aller Kritik? „Die Menschlichkeit“, sagt sie. „Die Offenheit für andere Religionen.“ Kein Papst zuvor bat das Volk Israel für die Mitschuld vieler Christen am Holocaust um Vergebung. Eine mutige, klare Geste. Eine Geste, die (innerkirchlich) nicht jeder teilte. „Er verstand es, Menschen zu öffnen. Er weilte beim einfachen Volk“, meint Gerhard Robel aus Schmerlitz, Organisator der Reise nach Medjugorje. Den Tod des Pontifex sieht er als Erlösung von Leiden. Als Vollendung eines Lebenswerkes.
Weltkirche gelebt und gezeigt
„Er hat ausgelitten“, betont Kaplan Matthias Grzelka später beim Gottesdienst. Die Gemeinde singt Osterlieder, deren Auferstehungsbotschaft der Papst stets in die Welt trug. Ohne Berührungsängste. „Wie kein anderer hat er Pilgerreisen unternommen. Er hat gezeigt: Wir sind Weltkirche“, so Grzelka. In 64 Sprachen erteilte Johannes Paul II. Weihnachten und Ostern den Segen Gottes. Auch in Sorbisch! „Das zeugt von hoher Anerkennung, hohem Respekt“, sagt Mercin Delenk, Jugendpfarrer der sorbisch-katholischen Gemeinden. „Und das, obwohl wir Sorben kein eigenes Bistum haben, keinen relevanten Sprecher auf Vatikanebene.“
Ein Mann intensiven Zuhörens
Dr. Peter Bresan aus Sollschwitz lernte 1977 Karol Wojtyla persönlich kennen. Damals weilte er mit Jesuit Stanislaw Nawka und Lehrer Anton Nawka in Krakau. Eine Stunde redeten die drei mit Wojtyla. Es ging um pastorale Probleme in der Lausitz. Um die schwierige Lage der Christen in der DDR.
„Ein Mann des Zuhörens. Bevor er etwas sagte, versetzte er sich stark in den anderen hinein. Dann suchte er konkrete Wege der Hilfe“, hat Peter Bresan den späteren Papst in Erinnerung. 1999 trug er mit anderen Sorben vom Cyrill-Methodius-Verein bei einer Audienz im Vatikan das Anliegen der Seligsprechung für Alojs Andricki vor. Peter Bresan erstaunte die Detailkenntnis des Papstes über sorbische Probleme.
Statt Traurigkeit empfindet der Sollschwitzer tiefe Dankbarkeit. Hat doch der Pontifex Liebe und Beispiel vorgelebt. In der Nacht zum Weißen Sonntag verstarb er. In der Nacht zum Sonntag der göttlichen Barmherzigkeit. Zufall? Fügung? Wille?
„Es bleibt das Geistliche“, meint Peter Bresan. „In den künftigen Jahrzehnten werden sich die Menschen noch intensiv mit dem verkündigten, gesprochenen Wort des Papstes beschäftigen.“