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Triebischtaler fühlen sich allein gelassen

Im Schlammgebiet wird über fehlende Informationen und Technik geklagt. Das Rathaus sieht das anders.

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Von Harald Daßler

Für mich ist das eine Katastrophe“, sagt Daniel Winkler. In seiner Autowerkstatt am Angerweg waren am Dienstag gerade die letzten Heizkörper montiert und damit alle Flutschäden von 2013 beseitigt, als der Regen einsetzte. Mit aller Kraft versuchten der Kfz-Meister und seine Mitarbeiter, die gerade neu eingerichtete Werkstatt abzudichten, brachten Pumpen in Stellung. Gegen die Schlammlawine, die von der Flutmauer an der Triebisch regelrecht in den Angerweg hineingedrückt wurde, gab es keine Chance. Hebebühnen, Diagnosetechnik, Werkzeuge, Computer, selbst die Reparaturaufträge sind verloren.

„Zum Glück kann ich mich auf meine Leute und Freunde verlassen“, sagt Daniel Winkler. Alle zwölf Mitarbeiter, zum Teil auch deren Angehörige, waren zur Stelle. Bauunternehmer Uwe Riße setzte fünf seiner Bauleute und drei Radlader in Bewegung. So konnte der Schlamm inzwischen weggeräumt werden. Von den Behörden fühlt er sich im Stich gelassen. Feuerwehrleute hatten am Dienstagabend ein so genanntes Standrohr gesetzt. Darüber hätte er Wasser zum Säubern aus dem öffentlichen Netz beziehen können, berichtet Daniel Winkler. Als er Wasser entnommen hatte, meldete sich ein Mitarbeiter der Stadtwerke. Fragte nach der Genehmigung. Daniel Winkler schüttelt den Kopf. Erst als Stunden später ein Wasserzähler installiert war, durfte er die Leitung nutzen.

Ursula Herbst, die am Angerwerg 9 wohnt, hatte auch am Freitagmittag noch keinen Strom. Niemand habe sich am Mittwoch und Donnerstag hier sehen lassen und Auskunft gegeben, wie es weitergeht, sagt die Dame. Umso mehr freute sie sich, als es am Freitagmittag bei ihr klingelte. Im Auftrag des Vermieters SEEG bekam sie ein warmes Essen vorbeigebracht.

Ingrid Küchler hat so ziemlich alles verloren. Die Einrichtung ihrer Erdgeschosswohnung in der Talstraße hat die Lawine binnen Minuten in Müll verwandelt. Sie fand eine Bleibe in einem Wohnhaus in der Nähe. Als der OB am Mittwoch durch das Triebischtal ging, habe sie sich ein Herz gefasst und ihn angesprochen. „Er hat mich auf das Möbellager der Sopro aufmerksam gemacht“, sagt Ingrid Küchler. Dahin will sie sich in den nächsten Tagen wenden. Nicht nur sie fragt sich, warum die Stadt solche Informationen nicht bekanntgibt.

Wie Daniel Winkler, Ursula Herbst und Ingrid Küchler empfinden es viele im Triebischtal. Unmittelbar nach dem Unglück fühlten sie sich alleingelassen. Das Rathaus weist diesen Vorwurf zurück. Der Bauhof und alle verfügbare Technik von Unternehmen der Stadt und aus dem Umland seien schon am Dienstagabend in Bewegung gesetzt worden, sagt Bürgermeister Hartmut Gruner. Rund 200 Helfer sind bislang im Einsatz. Wie der Bürgermeister erklärt, ging es zunächst darum, die Straßen frei zu bekommen. Die Tal- und Ossietzkystraße hatten Vorrang. Das Krisenmanagement unmittelbar nach einem Unglück wie dem gehört auf den Prüfstand, sagt Stadtrat Nico Riefling, dem ebenfalls Klagen über fehlende Informationen und Technik zu Ohren kamen. Bei Ereignissen wie am Dienstag muss es Ansprechpartner vor Ort geben, ist er überzeugt. So hätte man den Menschen erklären können, dass dringend Schlammpumpen gebraucht werden, über die weder Feuerweg noch THW verfügen. Oder, dass die Stadtwerke den Strom in den Häusern erst wieder anschalten können, wenn ein Eklektiker die Anlagen dort überprüft hat. Er selbst war mit seinem Stadtratskollegen Martin Schade am Dienstagabend im Triebischtal und hat Notstromaggregate und Diesel organisiert.

Die Katastrophe in seiner Werkstatt droht zu einer Katastrophe für Daniel Winklers Unternehmen zu werden. Wie er berichtet, hätten ihm die Leute vom THW Hilfen beim Absaugen des Wassers von seinem Hof angeboten. Er müsste allerdings die Kosten von 700 bis 1000 Euro pro Stunde selbst übernehmen. Es gab keinen Katastrophenalarm, so die lapidare Antwort des THWlers auf seine Frage nach dem Warum. Auch beim Arbeitsamt, wo er nach Möglichkeiten einer Überbrückung oder eines besonderen Ausfallgeldes für seine Beschäftigen fragte, die ohne Technik keine Fahrzeuge reparieren können, bekam er ebenfalls diese Antwort. „Hier hat es sich um ein örtlich begrenztes Ereignis gehandelt“, erklärt die Sprecherin des Landratsamtes Kerstin Thöns auf die Frage, warum in Meißen kein Katastrophenalarm ausgerufen wurde. Natürlich sei es für die unmittelbar Betroffenen eine Katastrohe, sagt Bürgermeister Hartmut Gruner. Deshalb müsse man den Einzelfall betrachten. Jeden einzelnen sehr genau. Und Hilfe organisieren.