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Trinkwasser für die Malediven

Braun gebrannt sitzt Andreas Heinrich in der Leitstelle des Technischen Hilfswerkes in Bautzen und ist in Worten und Gedanken viele tausend Kilometer weit weg. Doch es ist nicht der letzte Urlaub, von dem der 30-Jährige berichtet.

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Von Ulli Schönbach

Braun gebrannt sitzt Andreas Heinrich in der Leitstelle des Technischen Hilfswerkes in Bautzen und ist in Worten und Gedanken viele tausend Kilometer weit weg. Doch es ist nicht der letzte Urlaub, von dem der 30-Jährige berichtet. Im Gegenteil: Es liegen harte Arbeitswochen hinter ihm. Der Chef des THW-Ortsverbandes Bautzen ist seit wenigen Tagen von einem Katastrophen-Einsatz auf den Malediven zurück.

Als der Politikstudent kurz nach Weihnachten in das 24-köpfige Krisenteam des Hilfswerkes berufen wurde, waren die Fernsehbilder aus Südostasien erst wenige Tage alt. Von einer Flutwelle, von Zerstörung und Tausenden Toten war die Rede. Doch was sie am Einsatzort genau erwartete, wussten Andreas Heinrich und seine Mitstreiter nicht.

„Eine graue Steinwüste“

„Gibt es die Malediven überhaupt noch?“, lautet die Frage, als ihr Flugzeug am 30. Dezember kurz vor Mitternacht vom Flughafen München startet. Stunden später folgt die große Überraschung: Male, die Hauptstadt des 300 Quadratkilometer großen Inselstaates, erweist sich als moderne Großstadt, in der das Leben schon fast wieder normale Bahnen zieht. „Wie sich herausstellte, war gerade die Insellage ein Vorteil für die Malediven und kein Nachteil wie man vielleicht vermuten würde. Der Tsunami hat hier nicht heftiger, sondern schwächer gewirkt als auf dem Festland“, erklärt Andreas Heinrich den verblüffenden Effekt.

Das Bild wandelt sich allerdings, als die THW-Helfer 24 Stunden später die ersten Erkundungsflüge unternehmen. Abseits der Touristenzentren, auf den einheimischen Inseln, kann von einem intakten Leben keine Rede sein. „Wegen der einfachen Bauweise hat das Wasser diese kleinen Inseln regelrecht abrasiert, nur hier und da stand noch ein größeres Gebäude, eine Schule oder eine Moschee. Der Rest war eine einzige, graue Steinwüste“, beschreibt der THW-Helfer die ersten Eindrücke aus der Luft.

Zwischen 80 und 100 Prozent – so stellt sich später heraus – liegt der Zerstörungsgrad auf den kleineren Atollen. Und auch die Zahl der Opfer wirkt nur auf den ersten Blick gering. „Wenn eine stark betroffene Insel wie Vilufushi 17 Tote und 26 Verletzte meldet, dann klingt das zwar nicht viel. Die Insel hat aber nur 1 000 Einwohner“, sagt Andreas Heinrich, „es sind also ebenso wie in Indonesien oder Sri Lanka fast fünf Prozent der Bevölkerung Opfer der Flutwelle geworden.“

Die Überlebenden brauchen Nahrung und Unterkünfte, vor allem aber sind sie auf Trinkwasser angewiesen. Denn der Tsunami hat das traditionelle Versorgungs-System zerstört. Anders als auf dem Festland – so erfahren die Helfer – gibt es auf den Malediven keine Trinkwasser-Brunnen. Selbst im Inneren der Inseln ist der Meersalz-Gehalt im Wasser dafür zu hoch. Einzige Süßwasser-Quelle ist der Regen, der über die Dächer aufgefangen und in Vorratsbehälter geleitet wird. Durch die Zerstörung der Häuser ist dieses System mit einem Schlag zusammengebrochen.

Für Andreas Heinrich und die anderen Helfer ist damit klar: Sie sind das richtige Team am richtigen Ort. Die Mannschaft besteht vor allem aus Trinkwasser-Spezialisten und ist mit modernen Anlagen zur Entsalzung von Meerwasser eingeflogen. Zugleich steht die Truppe vor einem Problem: Männer und Technik müssen an die Einsatzorte gebracht werden. Nur wie?, lautet die schwierige Frage. Die Entsalzungs-Anlagen sind zu schwer für die kleinen Wasser-Flugzeuge vor Ort.

Was danach folgte, nennt Andreas Heinrich ein Abenteuer. 24 Stunden schipperte die erste Anlage über den Ozean, „in einem offenen Boot, immer hart am Rande dessen, was noch zu verantworten war“. Die Überfahrt gelingt, doch eine Wiederholung ist ausgeschlossen.

Eine bessere Lösung muss her – und sie wird gefunden. Ein einheimischer Unternehmer bietet Speedboote zum Transport an. Acht bis zehn Meter lang und 400 PS stark erreichen die Wassergefährte das Einsatzgebiet bereits nach vier Stunden. Auch in den kommenden Wochen bleiben sie die Basis für die Arbeit der Helfer.

„Ein Glücksfall“, sagt Andreas Heinrich, der als Logistiker im Stab der Mission arbeitet. Boote zu besorgen, Ersatzteile heranzuschaffen und die Einsatzgruppen auf den Inseln mit Benzin zu versorgen ist vier Wochen lang seine Aufgabe im Team. Außerdem hat er die Finanzen und die Buchhaltung im Griff.

Erfahrungen im Kosovo

Das Rüstzeug dafür holte er sich nicht nur auf Schulungen des THW, der Bautzener konnte vor allem auf seine Auslandserfahrung setzen. Schon 2001 setzte ihn das Hilfswerk im Kosovo ein. Auch die Afghanistan-Mission des THW hat er von Deutschland aus mitorganisiert.

Immer ehrenamtlich, denn Geld gibt es für die Einsätze nicht. Normale Arbeitnehmer erhalten zwar weiter ihren Lohn, als Student kann Andreas Heinrich höchstens mit einer Gefahrenzulage rechnen. Ob es die auch für den Malediven-Einsatz gibt, weiß der Helfer nicht. Doch seine Rechnung sieht ohnehin anders aus: „Ich habe das Land und die Menschen in einer Weise kennen gelernt, wie das kein Tourist kann, selbst wenn er 10 000 Euro bezahlen würde.“ Diese Erfahrungen sind es, die Andreas Heinrich reizen, aber auch das Gefühl, etwas zu leisten. Stolz berichtet er vom Jubel der Menschen, „die uns wie Helden begrüßt haben“.

Auf sechs Inseln war das Technische Hilfswerk während der vier Wochen im Einsatz. Vor allem, um Trinkwasservorräte anzulegen. Aber auch im Kleinen ist Hilfe gefragt: beim Wiederherstellen von Brauchwasser-Brunnen oder bei der Reparatur des Insel-Lkw.

Schnell fiel zudem die Entscheidung, die Entsalzungs-Anlagen nicht wieder mit nach Deutschland zu nehmen, sondern an Ort und Stelle zu lassen. Noch immer sind deshalb zwei THW-Helfer auf den Malediven und weisen die örtliche Wasserbehörde in die Arbeit an den Maschinen ein. „Wir hoffen, dass unser Einsatz auf diese Weise einen nachhaltigen Effekt für die betroffenen Inseln hat“, sagt Andreas Heinrich. Zugleich ist er optimistisch, dass bis 2006 der Wiederaufbau der zerstörten Regionen gelingt. „Wir sind überall auf den Malediven auf Optimismus und Tatkraft gestoßen“, berichtet der Student, „der Wille zum Neuanfang ist groß“.

Mehr Informationen zur Arbeit des Technischen Hilfswerks in den Krisengebieten in Südostasien gibt es unter www.thw.de.