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Triumphaler Erfolg mit „Adelina“

Der Geisinger Komponist Nino Neidhardt wäre heute 120 Jahre alt geworden.

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Von Peter Salzmann

Genau 68-mal musste man 1943 den schweren Bühnenvorhang öffnen, als die Oper „Adelina“ in Dresden mit tosendem Beifall auf offener Szene eine triumphale Premiere vor 1500 Zuhörern feiern konnte. Der Geisinger Komponist Nino Neidhardt, seit 1941 Kapellmeister und Hauskomponist am berühmten „Theater des Volkes“ – der bedeutendsten Spielstätte der Dresdner Neustadt – hatte damit sein rastloses Schaffen gekrönt, das mit dem „Adelina“-Erfolg wahrlich nicht allein zu umreißen ist.

Dazu gehörten die Singspiele „Die venezianische Nachtigall“, „Der Gast um Mitternacht“ und „Das süße Puppenspiel“, sowie die Operetten „Der grüne Harlekin“ und „Die verkehrte Welt“, Kantaten, Sonaten, Ouvertüren, Ballettmusiken und Streichquartette.

Neidhardt wurde am 14. April 1889 – also heute vor 120 Jahren –in Chemnitz als Sohn eines Juristen und einer begüterten Italienerin geboren. Zunächst studierte er in Leipzig, Wien und Berlin Philosophie, was nicht seiner Mentalität entsprach. In Dresden studierte er bei Felix Draeseke Musik – vor allem Komposition –, dann ging er nach Paris, Wien, München und Augsburg. Mit dem Werk „Chinesische Legende“ wurde Neidhardt 1922 Wettbewerbssieger in Turin und schaffte seinen ersten internationalen Erfolg.

1930 erstmals in Geising

Doch Dreh- und Angelpunkt seines künstlerischen Daseins wurde Dresden, obwohl ihn der Großstadtlärm mit Demonstrationen und Aufmärschen während der Weltwirtschaftskrise auf die Nerven gingen. Ein Avantgardist war er nicht, er suchte Abgeschiedenheit und Ruhe. 1930 betrat Nino Neidhardt mit seiner jungen Frau erstmals Geising und bezog beim Kunstmaler Heribert Fischer Quartier, bis er „hinten im Tal“ seine Wahlheimat fand.

Geisings Ortschronist Werner Stöckel hat aus dieser Zeit eine Episode überliefert. Das Gebäude sei „hochgeschurwerkt“ worden. Dabei wurde aber vergessen, dass zu einem Komponisten auch ein Flügel gehört. Damit er einziehen konnte, musste eine Wand abgerissen und dann neu „hochgezogen“ werden.

Geisings neuer Bürgermeister Karl Büttner bat Neidhardt in den ersten Nachkriegstagen im Mai 1945 um Unterstützung „beim Aufbau einer antifaschistischen-demokratischen Ordnung“, so Stöckels Recherche. Der Komponist willigte ein. Er wirkte als Kulturdezernent, stellvertretender Bürgermeister, Vorsitzender des Kulturbundes und Lehrer an der Volkshochschule. Der sowjetische Kommandant Oberst Sergej Kalnitzki, ein Uni-Dozent aus Leningrad, bat Neidhardt, ein Kulturorchester zu gründen. Mit Profis und Amateuren aus Geising, Lauenstein und Altenberg formte der Kapellmeister einen Klangkörper, der abendfüllende Konzerte geben konnte und in kleiner Besetzung zum Tanz aufspielte.

1946 erlebte Neidhardts „Kalenderkantate“ in der Kirche mit ausschließlich Geisinger Solisten, Choristen und Instrumentalisten ihre Uraufführung. Das zweiteilige Oratorium „Kantate des Lebens“ ging erstmals im Geisinger „Volkshaus“ – damals Hotel „Stadt Dresden“ – über die Bühne. Erneut gelang es Neidhardt ein Ensemble zu formen, das ausschließlich mit Geisinger Einwohnern für Furore sorgte.

Für sein Schaffen und Lebenswerk wurde Neidhardt im Jahre 1949 anlässlich seines 60. Geburtstages im Auftrag des Sächsischen Ministerpräsidenten Max Seydewitz zum Professor ernannt. Der große Sohn Geisings, der Komponist, Kapellmeister und Pianist, dessen sensibles und meisterhaftes Klavierspiel Maßstäbe gesetzt hat, starb am 27. März 1950 im Haus an der Lindenallee und hat auf dem Geisinger Friedhof seine letzte Ruhestätte gefunden.