Von Frank Sühnel
zum 28. Mal war am Sonnabend nicht nur das Rathaus in der Hand der Narren, sondern die ganze Stadt. Und wäre nicht Karneval, so hätte man sich die Augen reiben können und fragen, war alles nur ein Traum? Angesichts der vielen Volkspolizisten, Jung- und Thälmannpioniere oder uniformierten rotarmistischen „Freunde“.
Doch was lag näher, als nach 20 Jahren die vergangene Zeit unter dem Motto „Ostalgische Rumpelkammer“ noch einmal humoristisch-karnevalistisch auferstehen zu lassen. Und ein Großteil der 31Umzugsteilnehmer hielt sich an die, sehr freie, Vorgabe, und so zogen viele Karnevalisten in nunmehr historischen Uniformen durch die Straßen. Ebenso feierte das Fernsehen der DDR eine Wiederauferstehung, ein Wagen erinnerte an all diese Sendungen, wie Willi Schwabes Rumpelkammer, Kessel Buntes und natürlich an „Sudelede“. Geht es um die ostdeutsche Vergangenheit, darf natürlich die Olsenbande nicht fehlen. Egon Benny und Kjeld pirschten mit einem Plan in der Tasche und viel nichtdänischem Bier hinter einem Tresor der Firma Franz Jäger her durch die Straßen.
Heimatlose mit Sattelschlepper
Sogar das „Gelbe Elend“, das berüchtigte Bautzener Stasigefängnis, war vertreten, aufgebaut auf einem riesigen Sattelschlepper. „Den Anhänger haben wir uns extra für die Umzüge gekauft. Die Zugmaschine leihen wir uns immer“, erklärte Heiko Hauswald vom Königsbrücker Karnevalsclub „Die Heimatlosen“. Drei Wochen lang haben sie täglich an dem „Gelben Elend“, „eben auch einem Teil der Ostalgie“, wie Hauswald erklärte, gebaut. Er selbst ging verkleidet als Volkspolizist (VoPo).
Und da Fasching ist, sei es auch kein eigenartiges Gefühl, so eine Uniform zu tragen. Die VoPo-Uniform hat Heiko Hauswald über das Internet gekauft. Zum 13. Mal waren die Heimatlosen nun in Königsbrück dabei und am Sonntag auch beim großen Umzug in Radeburg, wie einige andere auch.
Nicht weit vom Gefängnis ließ der Jugendclub Weißbach den himmelblauen Trabant wieder fahren, mit Erich am Steuer, die Mädels und Jungs schick verkleidet als Pioniere. „Die Klamotten, sogar dieses Käppi, habe ich von Mutti, alles war noch da“, erklärte Christin vom Club. Andere Eltern hatten alles schon weggeworfen, doch auch da half das Internet. Gut zwei Wochen hatten die Jugendklubleute an ihrem Vehikel gebaut, auf dem mit lauter Disco der Bär steppte. Früher hätten alle zumindest eine Ermahnung vom Pionierleiter wegen Trunkenheit bekommen. Wie sich die Zeiten ändern.
Da es mit dem ostalgischen Motto nicht so eng gesehen wurde, gab es natürlich auch einige Wagen mit anderen Themen, etwas mit Anspielungen auf die Finanzkrise, zur Gesundheitsreform oder zu solch hochkarätigen Fernsehformaten wie „Bauer sucht Frau“. Die „Hüttenkracher“ aus Großnaundorf hatten sich Grimms Märchen vorgenommen, mit einem fantastisch ausgestalteten Wagen. „Zwei Monate haben wir daran gearbeitet“, erklärte Susann Kahle. Bezahlt haben sie diesen riesigen Aufwand an Material aus Mitgliedsbeiträgen, über Sponsoren und Eintrittsgeldern aus den Veranstaltungen. Und deshalb waren die Hüttenkracher auch noch nüchterner als viele andere, denn „wir haben abends noch einen Auftritt in Höckendorf“ erklärte Susann die Trinkzurückhaltung. Die stand im Gegensatz zu den meisten anderen Karnevalisten auf dem Markt, wo nach dem Umzug durch die Stadt alle Bilder aufgestellt waren und eine tolle Party lief.
Schwere Technik gegen Schnee
Für den gastgebenden Königsbrücker Carneval-Club war es wieder ein Riesenspaß und „alles super gelungen“, wie Zeremonienmeister Daniel Röthig sagte. „Im Vorfeld gab es aber ein Problem“, erzählte er. Der Schnee. „Die Stadtverwaltung hat einen Kopflader besorgt und mit Lkw diese Schneemassen aus der Stadt gebracht, dafür danken wir sehr“, so der Zeremonienmeister. Zum ersten Mal gebe es nun neben den Regenten, Beate I und Wolfgang I, auch im Leben ein Paar, ein Kinderprinzenpaar, Tyra I und Nik II aus der Kita Regenbogen.
Schade sei, dass der „Schwarze Adler“, in dem früher immer der Karneval stattfand und 2007 kurz neu auflebte, nicht mehr zu nutzen ist, so Röthig. „Da haben wir keine Hoffnung. Jedes Jahr müssen wir einen Ort für die Veranstaltungen suchen, diesmal ist es das Schloss, das ist nicht schön“, bedauert er. Nichtsdestotrotz lassen sie sich die närrische Zeit nicht verderben und mit einem dreifachen „Tschako Hopp“ zieht auch der Zeremonienmeister ins Feiergetümmel.