Von Georg Moeritz
Dresden/Prag. Wieder haben die jungen Leute aus Prag die Nase vorn: Während die Wirtschaftsförderer in Dresden und Berlin um Autozulieferer aus aller Welt werben, gründet ein deutsches Unternehmen ein Werk in der Region Usti nad Labem (Aussig).
Die 50 Stellen dort schafft die Neusser Pierburg GmbH. Sie sind nur einer der jüngsten Erfolge, mit denen die Prager Wirtschaftsförderung Czechinvest auf ihre Leistungen hinweist. 145 Investitionen hätten sie voriges Jahr eingeworben, schreiben die tschechischen Werber in ihrem Jahresbericht. Dank der Investitionen im Wert von umgerechnet 1,7 Milliarden Euro könnten in den nächsten Jahren mindestens 20 000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden.
Für das Jahr zuvor hatten die tschechischen Werber Erfolge mit einem Volumen von 10 000 Arbeitsplätzen gemeldet. Damit verstärkt sich der „Standortwettbewerb“ mit Deutschland, von dem auch die jüngste Broschüre in der Schriftenreihe des Unternehmensverbands der Metall- und Elektroindustrie Sachsen kündet. Sachsen und Tschechien seien durch historische Beziehungen verflochten, stünden aber auch im Ringen um Ansiedlungen, schreibt Hauptgeschäftsführer Andreas Winkler.
Dem sächsischen Unternehmensverband zufolge entscheiden nicht allein die Lohnkosten darüber, wo eine Firma sich neu ansiedelt. Doch sie seien ein wichtiger Faktor. Dass tschechische Arbeitskräfte billiger sind, belegen die Arbeitgeber in ihrer Schrift mit neuen Zahlen: 11,84 Euro pro Stunde bekomme ein durchschnittlicher Arbeiter in Sachsen brutto nach Zahlen vom vorigen Jahr. Sein tschechischer Kollege erhalte drei Euro. Bei den Angestellten stehen Monatsverdienste in der Vergleichstabelle: 3 039 Euro für den Sachsen, 896 für den Tschechen.
Die Löhne und Gehälter in dem neuen EU-Mitgliedsland wachsen allerdings schnell: In den vergangenen vier Jahren legten sie der Schrift zufolge in Sachsen brutto um neun Prozent zu, in Tschechien hingegen in der gleichen Zeit um 28 Prozent. Angestellte setzten eine fast doppelt so schnelle Steigerung durch: 49 Prozent. Der Unternehmensverband weist allerdings darauf hin, dass Lohnkostenvorteile allein nicht genügen, um eine Ansiedlung einzuwerben. Zuverlässige Lieferanten in der Nähe seien ebenso wichtig wie Rechtssicherheit und wie Einrichtungen für Forschung und Entwicklung.
Die Werber von Czechinvest möchten ihr Land aber auch keineswegs als Billiglohnregion abstempeln lassen: Gleich zu Beginn des Jahresberichts schreiben sie, dass von den künftigen 20 000 neuen Stellen mehr als zwei Drittel von qualifizierten Kräften besetzt werden sollen. Ein Drittel der neuen Projekte, für die Zuschüsse vom tschechischen Staat erbeten würden, hätten mit Forschung, Entwicklung und unternehmensnahen Dienstleistungen zu tun.
Die meisten Investoren in der tschechischen Industrie sind deutsche Firmen – gefolgt von japanischen, schreibt Czechinvest. Und dann folgt eine Liste, auf der die deutschen Ansiedlungswerber nachlesen können, wer ihnen entgangen ist oder im Gefolge vorhandener Werke eine Filiale im Nachbarland einrichten muss: Autozulieferer wie Bosch und Benteler, die 368 und 352 Arbeitsplätze versprochen haben. Der Holzverarbeiter Kronospan, auch mit einem großen Werk nördlich von Dresden vertreten, schafft 52 Stellen in Tschechien. In der Solarbranche, die in Sachsen ebenfalls neue Projekte plant, beteiligt sich RWE Schott Solar mit 300 Arbeitsplätzen in der Region Zlin. Noch keine Jahresbilanz liegt von der Wirtschaftsförderung Sachsen GmbH vor. Allerdings ist ihre Arbeit für ein einzelnes Bundesland nicht mit der von Czechinvest zu vergleichen. Für die fünf neuen Bundesländer insgesamt wirbt das Berliner Industrial Investment Council. Nach eigenen Angaben hat es seit der Gründung 1997 rund 100 Unternehmen mit 18 500 Arbeitsplätzen angelockt – darunter das Leipziger BMW-Werk.
www.czechinvest.cz
www.wfs.sachsen.de
www.iic.de