Ärzte dürfen nicht mehr über die Grenze

Es ist die Hiobsbotschaft des Tages in der Corona-Krise - nicht nur für Dr. Zuzanna Cizkova, die Fachärztin aus Liberec (Reichenberg), die in einer Zittauer Hausarztpraxis arbeitet. Es ist die nächste Hiobsbotschaft für die ganze Region: Ab Donnerstag dürfen Berufspendler aus Tschechien nicht mehr täglich ein- und ausreisen. So hat es die tschechische Regierung am Montag beschlossen.
Das trifft jetzt nicht nur Unternehmen und Pflegeeinrichtungen in der Region, sondern in großem Maße auch die medizinische Versorgung. Über 400 Ärzte aus Tschechien arbeiten als Berufspendler in Sachsens Krankenhäusern und Arztpraxen - und ein großer Teil von ihnen in der grenznahen Region Löbau-Zittau.
Tschechiens Regierung hat sie vor die Wahl gestellt: Wenn sie weiter in Deutschland arbeiten wollen, müssen sie in Deutschland bleiben. Sobald sie nach der Arbeit zurück nach Tschechien fahren würden, müssten sie für zwei Wochen in Quarantäne. So hat es am Montagabend Tschechiens Innenminister Jan Hamáček erklärt. Die Begründung für die Maßnahme sei, dass die Pendler für Tschechien ein potenzielles Infektionsrisiko darstellen.
Alle Pendler würden jetzt beim Überqueren der Grenze registriert: "Wir werden genau wissen, wer ins Land kommt und wer sich in Quarantäne begeben muss. Die Polizei wird das genau kontrollieren", erklärt der Minister.
Zuzanna Cizkova ist verzweifelt. "Ich kann nicht hierbleiben", sagt die 34-Jährige. "Das geht beim besten Willen nicht." Sie hat zwei kleine Kinder zu Hause, ihr Mann arbeitet im Liberecer Krankenhaus. Seit Montagabend versucht sie schon fieberhaft, an der Situation noch etwas zu ändern.
Sachsens Ministerpräsident um Hilfe gebeten
"Wir haben alles probiert", erzählt die Ärztin. Gemeinsam mit Kollegen haben sie die Medien eingeschaltet. Sie haben Protestschreiben an die tschechische Regierung verfasst und sogar den sächsischen Ministerpräsidenten um Hilfe gebeten.
Doch auch Michael Kretschmer (CDU) konnte die tschechische Seite offenbar nicht umstimmen. Kretschmer will deshalb nun helfen, dass zumindest die Tschechen, die hier im Gesundheitswesen oder im Pflegebereich arbeiten, vorübergehend auch hier wohnen können. Diejenigen, die sich zum Bleiben entscheiden, sollen eine finanzielle Hilfe von 40 Euro pro Tag bekommen. Auch Angehörige dürften mitkommen, so lange Tschechien die Regelung aufrecht hält.
Für Zuzanna Cizkova ist das keine Option. Sie kann ihre Familie nicht für Wochen alleine lassen. Aber zum Glück trifft es ihre Patienten in Zittau nicht ganz so hart. Die Internistin aus Tschechien arbeitet in einer Gemeinschaftspraxis zusammen mit Katja Pätzold. Die Praxis bleibt geöffnet. Katja Pätzold wird die Patienten ab Donnerstag so weit wie möglich alleine versorgen.
Zuzanna Cizkova will aber versuchen, mit einer Internetverbindung zum Praxis-Computer von zu Hause aus weiter mitarbeiten zu können. "Da hilft uns jetzt hoffentlich die Telemedizin", sagt sie. "Wir hoffen sehr, dass das funktioniert."
In Tschechien, weiß Dr. Cizkova, haben die Ärzte, die in Deutschland arbeiten, ohnehin kein gutes Ansehen. "Wir haben viele Feinde, die sagen, Ihr habt in Tschechien studiert und dann geht Ihr weg", sagt sie. In den sozialen Netzwerken Tschechiens gebe es seit Montagabend auch darüber schon eine heiße Diskussion. "Bleibt doch, wo ihr seid", sagen die Leute in Tschechien.
Löbauer Arzt übernachtet in der Praxis
Einer, der das jetzt macht, ist Dr. Jan Svestka, der als niedergelassener Hausarzt im Löbauer Ortsteil Ebersdorf arbeitet. "Ich schlafe erst mal hier in der Praxis", sagt der Hausarzt. Der 33-Jährige wohnt eigentlich in Rumburk (Rumburg) - mit Frau und drei kleinen Kindern. Die Familie wird er jetzt für eine Weile nicht sehen.
"Aber was soll ich machen?", fragt er. Er hat eine Praxis und Verpflichtungen. "Es ist meine Praxis, ich bin Unternehmer, ich habe Mitarbeiter, für die ich sorgen muss, und Patienten, die einen Arzt brauchen. Ich kann hier nicht so einfach wegbleiben."
Wie Dr. Svestka aus Löbau wollen auch mehrere andere der insgesamt 15 Ärzte aus Tschechien, die in der Region niedergelassen oder in einer Niederlassung angestellt sind, vorübergehend in Deutschland bleiben, so unter anderem auch der Gynäkologe Milan Sedlak, der erst vor einem reichlichen Jahr die Großschönauer Frauenarzt-Praxis übernommen hatte.
Große Probleme auch in den Kliniken
Im Fachkrankenhaus Großschweidnitz sind vier Kolleginnen und Kollegen aus dem ärztlichen Dienst von der Regelung betroffen. Zwei hatten am Dienstag frei und waren noch gar nicht zu erreichen, sagt Klinik-Sprecherin Andrea Witschel. "Von den anderen beiden Kolleginnen wissen wir bereits jetzt, dass Sie Ihren Dienst vor Ort einstellen werden und zu Hause bleiben müssen."
Wie sich die tschechischen Mitarbeiter in den Krankenhäusern des Klinikums Oberlausitzer Bergland in Ebersbach und Zittau entscheiden und welche Folgen das für den Krankenhausbetrieb hat, war am Dienstagnachmittag noch nicht abzusehen.
Das Sächsische Wirtschaftsministerium hat am Dienstagnachmittag mitgeteilt, dass für medizinisches und pflegerisches Personal Hotels und Pensionen zur Verfügung stehen und die Abstimmung mit den Landräten, Oberbürgermeistern und Bürgermeistern dazu läuft. Der Freistaat rechnet derzeit mit rund 1.000 direkt betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus Tschechien.