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Schutzgelderpresser zu langer Haft verurteilt

Der Hauptangeklagte muss neun Jahre und zehn Monate in Haft. Der Richter erhebt schwere Vorwürfe gegen die Verteidiger.

Von Karin Schlottmann
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Die fünf Angeklagten und ihre Anwälte kurz vor Beginn der Urteilsverkündung im Landgericht Dresden.
Die fünf Angeklagten und ihre Anwälte kurz vor Beginn der Urteilsverkündung im Landgericht Dresden. © Archivfoto: dpa/Robert Michael

Dresden. Der Prozess gegen fünf Mitglieder einer tschetschenischen Schutzgelderpresser-Bande ist mit teils hohen Haftstrafen zu Ende gegangen. Der Hauptangeklagte wurde am Mittwoch wegen schwerer räuberischer Erpressung und Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren und zehn Monaten verurteilt. Zwei Mitangeklagte müssen acht Jahre und neun Monate beziehungsweise sechs Jahre und zehn Monate in Haft. Zwei weitere Mittäter erhielten Strafen unter zwei Jahren.

Nach Überzeugung des Gerichts hatte sich die Gruppe zusammengeschlossen, um sich mit Erpressungen eine dauerhafte Einnahmequelle zu erschließen. Die Opfer waren überwiegend kleine Drogendealer, die die Täter erwartungsgemäß nicht bei der Polizei anzeigten. Die fünf Angeklagten konnten je nach Bedarf in kürzester Zeit viele Bandenmitglieder mobilisieren, die teils uniformiert mithilfe von Schlägen und Drohungen Geld eintrieben oder Fahrzeuge mitnahmen. 

Warum dauerte das Verfahren drei Jahre?

Einem der Opfer wurden Zähne ausgeschlagen. Angebliche Ehrverletzungen von Angehörigen der tschetschenischen Community in Dresden führten zu weiteren körperlichen Übergriffen. Einer der Angeklagten beging direkt vom Weg aus dem Gefängnis in die Freiheit erneut Straftaten, sagte der Vorsitzende Richter Herbert Pröls. Es sei das typische Verhalten Organisierter Kriminalität.

Den Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung sowie des versuchten Totschlags hatte die Kammer eingestellt. Eines der Opfer sollte in Dresden mit einem Auto überfahren werden, hieß es in der Anklage. Bei dem Angriff vor einem Möbelhaus war das Täterauto jedoch nicht schnell genug, um die erhoffte Wirkung zu erzielen. Selbst im Prozess gab es während der Zeugenvernehmungen Einschüchterungsversuche. Ein Ehepaar wurde von der Polizei ins Zeugenschutzprogramm genommen und musste Wohnort und Beruf wechseln.

Pröls begründete die mit drei Jahren überlange Dauer dieses Strafverfahrens mit rücksichtsloser Verzögerungstaktik einiger Verteidiger. Auch der personelle Wechsel bei der Staatsanwaltschaft sei angesichts der umfangreichen Akten nicht hilfreich gewesen. 

Delegitimierung der Justiz

Konflikte zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Anwälten gehören zum Prozessalltag, aber die ausführlichen kritischen Bemerkungen Pröls an einige namentlich nicht genannte Anwälte geriet nach 152 Verhandlungstagen ungewöhnlich ausführlich. Er warf ihnen unter anderem vor, durch Überdehnung ihres Fragerechts Zeugen zermürbt und durch unzählige Prozessanträge den Prozess unnötig in die Länge gezogen zu haben. Ziel dieser Verteidigungsstrategie sei es seiner Meinung nach, Fehler des Gerichts zu provozieren oder wie jüngst in einem Fall am Landgericht Leipzig die Aussetzung des Verfahrens herbeizuführen.

Eine neue Erfahrung seien gezielte Eingriffe von Anwälten in die Verhandlungsführung des Vorsitzenden, zum Beispiel durch Zwischenrufe und direkte verbale Angriffe gegen den Richter. „Es geht um die Delegitimierung der Justiz“, sagte Pröls. Die Tendenz, dass Strafprozesse immer länger dauerten, schwäche das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz. Die Strategie der Anwälte ging offenbar auf: Das Gericht habe aus „reiner Notwehr“ eine Reihe von Anklagevorwürfen eingestellt, weil, so der Richter, andernfalls der Prozess noch mehr Zeit in Anspruch genommen hätte.