TV-Auswanderer will neu anfangen

Neukirch. Unauffällig liegt das Restaurant „Zur Einheit“ im Erdgeschoss eines Wohnhauses am Dresdner Riegelplatz 6. In altdeutscher Schrift prangt der Name an der Fassade, links versteckt sich ein Biergarten hinter einer Hecke. Zu erschwinglichen Preisen gibt es hier bodenständige Hausmannskost. Die Wohngebietsgaststätte in Kaditz hat bisher vor allem in einem Zusammenhang für Gesprächsstoff gesorgt: Im Keller war einst der Treffpunkt der Hells Angels. Hier kommen auch heute noch Rocker zusammen, der Charter hat sich 2014 aber offiziell aufgelöst. Und jetzt gibt es wieder Gesprächsstoff – allerdings ganz anderer Art. Ein Zettel an der Tür macht darauf aufmerksam: „Hier kocht Jörg Rokitta, bekannt aus „Goodbye Deutschland“.
Etliche Fernsehzuschauer der Auswanderer-Serie auf „Vox“ haben über Jahre verfolgt, wie der gebürtige Ruhrpottler mit einer Bar auf Mallorca sein Glück suchte, ins Straucheln geriet, pleite ging, neue Pläne schmiedete, aber gesundheitlich stark angeschlagen nicht an Bodenhaftung gewann. In Dresden soll das anders werden. Hinters Auswandern hat Rokitta nach mehr als 30 Jahren auf dem spanischen Festland und den Ferieninseln einen Haken gemacht. „Ich will meine Zukunft hier schreiben“, sagt er. Gemeinsam mit Falk Ullbrich. Als der hörte, dass Rokitta inzwischen in Dresden lebt, hat er ihm spontan bei Facebook geschrieben. Eigentlich gab seine Frau den Impuls, meint der Betreiber des Gasthauses. Sie hat das Leben des Auswanderers seit 2015 im Fernsehen verfolgt und war fasziniert von dessen Steh-auf-Mentalität trotz aller Rückschläge.
Diese Qualitäten soll der Koch jetzt in das Kaditzer Restaurant einbringen, das zuletzt in Schieflage geraten war. Eigentlich hatte der Betreiber längst andere Pläne. „Ich hatte vor, die Gaststätte zu schließen, weil ich einfach keinen Koch in Festanstellung finden konnte“, erzählt Falk Ullbrich. Das Restaurant betreibt er seit fünf Jahren, in Coswig zudem eine Suppenküche. Sieben Tage die Woche habe er zuletzt in der Küche gestanden, vier Tage davon 17 Stunden am Stück gearbeitet. „Gastronomie ist einer der härtesten Handwerksberufe überhaupt“, sagt der Quereinsteiger. „Das war für mich in dem Maß nicht mehr darstellbar.“ Mit der Gaststätte hat sich Ullbrich vor Jahren einen Traum erfüllt. Und mit seinem neuen Koch will er nun austesten, was noch möglich ist. Natürlich hofft er, dass sich Rokittas Prominenz bei den Gästezahlen bemerkbar macht. Doch noch etwas anderes kommt hinzu.
Bei beiden Männern habe die Chemie sofort gestimmt. „Jörg ist stressresistent, motiviert und ein guter Koch. Das war mir wichtig. Ich brauche jemanden, auf den ich mich verlassen kann“, meint Ullbrich. Dass das Leben des TV-Auswanderers in der Vergangenheit immer wieder aus der Bahn geriet – dem will er nicht zu viel Bedeutung beimessen. „Für mich kommt es darauf an, was er will und was er kann“, sagt er mit Blick auf Rokittas gescheiterte Pläne. Zum Beispiel den letzten in der Lausitz.

In Neukirch wollte der Heimkehrer 2018 die Gastronomie im Ostbahnhof wiederbeleben. Doch bereits nach der nur mäßig besuchten Eröffnungsparty war Schluss. Streitigkeiten mit dem Eigentümer der Immobilie – einem Bekannten aus Mallorca – führt Rokitta als Grund an. Es habe Missverständnisse gegeben, wer wofür zu zahlen hatte, sagt er. Schließlich habe der Eigentümer ein Hausverbot ausgesprochen. Nachvollziehen kann Rokitta das bis heute nicht. Er spricht offen über seine Fehltritte. „Mir ist nicht alles geglückt“, erklärt er. Aus seiner Zeit im Ausland habe er Schulden mitgebracht, „ich stehe aber mit allen Gläubigern in Kontakt“.
Die Rückkehr nach Deutschland beschreibt er als Glück. „Das spanische Sozialsystem ist mit unserem nicht zu vergleichen.“ Dort habe er zuletzt keine Krankenversicherung gehabt und in einem Zelt gehaust. „Das war kein Zustand.“ Dresden habe ihm zudem schon immer gefallen. „Ich freue mich auf die Aufgabe.“ Nach den Jahren des Chefseins kann sich Rokitta gut vorstellen, wieder als Angestellter zu arbeiten. „Ich habe viele Freiheiten und kann mitgestalten. Das Verhältnis zu Falk ist sehr freundschaftlich.“ Er plant, klassische, gut gehende Gerichte zu erhalten, will aber auch eine mediterrane Note einbringen. Nach einem kurzen Urlaub soll es am 28. Februar richtig losgehen. Im März wird „Vox“ für letzte Dreharbeiten anreisen. Dann sei seine Geschichte erzählt, sagt Rokitta. In Dresden soll sie aber erst anfangen.
Hier berichtete die Sächsische Zeitung über das Vorhaben in Neukirch.