Von Vladimir Hajduch
Gestern Vormittag kurz nach neun Uhr vorm Schloss Seußlitz: Die ersten Ausflügler erreichen ihr Ziel – den traditionellen Heiratsmarkt zum Vatertag. Zu ihnen gehört auch der Dresdner Joachim Herkner (62). Nach der fast 40 Kilometer langen Strecke mit dem Fahrrad gönnt sich der Rentner erst einmal ein Fischbrötchen und ein Glas Bier.
Seit mehreren Jahren zieht es ihn wie Tausende andere auch nach Seußlitz, um den Rummel, wie er sagt, mitzuerleben und zu genießen. „Es ist nicht jedermanns Sache. Aber ich freue mich immer wieder auf das Heiraten der Prominenten“ und nimmt Platz ganz nah der Trauungs-Bühne. Kurz nach halb zehn ist es so weit. Christoph Dittrich, Chef der Neuen Elbland Philharmonie und Schirmherr des diesjährigen Heiratsmarktes, besteigt vor den Augen Hunderter Schaulustiger gemeinsam mit seiner Braut, Sachsens Weinkönigin Antje I., die Bühne. „Für mich ist es eine besondere Freude, dass am heutigen Tag viel mit Musik stattfindet. Natürlich wird es auch um den Wein aus der Sächsischen Riviera gehen. „Kosten Sie diesen herrlichen Wein, und es ist keine Schande, wenn Sie den Sonnenuntergang auch noch in Seußlitz erleben“, wendet sich der Schirmherr zu den Festgästen.
Danach wird es für den Philharmoniker ernst – der Trauungs-Pastor Karl Kunath (62) aus Meißen kommt zu Wort: „Seid Ihr freiwillig an diesem wunderschönen Tag nach Diesbar-Seußlitz gekommen?“ Das Brautpaar bejaht die Frage. „Antje, bist Du bereit, den hier anwesenden Christoph ein Leben lang eine liebe, gute, treusorgende Ehefrau zu sein?“ – „Ich werde es versuchen“, antwortet die Königin. „Und Du, Christoph, bist Du bereit, die hier anwesende Antje ein Leben lang auf Händen zu tragen, immer ihr guter und lieber Ehegatte zu sein, morgens immer früh bei Zeiten frische Brötchen holen zu gehen?“ Der Bräutigam: „Also, ich sage zu allem ja, bloß früh, das wird nichts!“ Das war für den Jux-Pastor allerdings kein Grund, das prominente Paar nicht in die Ein-Tag-Ehe zu verabschieden. Der Tubist bedankte sich bei seiner Braut, sichtlich aufgeregt, mit einem musikalischen Ständchen. Eigentlich sollte das Pärchen dann – wie der Brauch es will – gemeinsam einen Baumstamm durchsägen, aber der Holzbock konnte der Last des dicken Stammes nicht standhalten und brach zusammen. Er war morsch. Angesichts der heißen Temperaturen war das Brautpaar den Holzwürmern sicher dankbar für ihre Vorarbeit.
Als sich die frisch Vermählten dann mit anderen Honoratioren in den Schlosspark begeben, haben Karl Kunath und seine „Assistentin“ – die Nonne Hannelore – alle Hände voll zu tun. Dutzende – Jung und Alt – wollen den Spaß der „Ein-Tag-Ehe“ erleben oder sich einfach ausprobieren. So beispielsweise Monika Richter (45) aus Riesa und Helmut Probst (53) aus Brandenburg. „Wir lieben uns von Herzen und werden später sicherlich heiraten. Der Heiratsmarkt in Seußlitz ist die Vorbereitung auf die Verlobung morgen in Riesa“, sagte die Riesaerin. Die Schüler Maria John (16) aus Radebeul und Nico Währ (16) aus Dresden haben sich vor einiger Zeit in einer Dresdner Eisdisco kennen gelernt. „Meine Eltern haben den Vorschlag gemacht, heute zu heiraten, um auszuprobieren, wie wir es finden. Es war ein komisches Gefühl auf der Bühne. Hoffentlich geht es jetzt nicht schief“, sagte Nico. Allerdings hatte dieses sympathische Pärchen Pech: Für einen Jägermeister-Gutschein war es noch zu jung.
Schon seit 13 Jahren trauen Karl Kunath und Nonne Hannelore die Besucher des Heiratsmarktes in Diesbar-Seußlitz. Weit über 100 Eheschließungen müssen sie an einem Tag bewältigen. „Wir zählen sie nicht mehr“, so der Pastor.