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Über 70 Jahre die Liebe bewahrt

Was hält die Ehe frisch und zusammen, 70 lange Jahre? Elisabeth und Paul Ludwig, am 27. Mai 1933 in der Nicolaikirche zu Döbeln getraut, müssten das wohl am ehesten wissen. „Tja“, zuckt der 98-jährige...

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Von Reinhard Kärbsch

Was hält die Ehe frisch und zusammen, 70 lange Jahre? Elisabeth und Paul Ludwig, am 27. Mai 1933 in der Nicolaikirche zu Döbeln getraut, müssten das wohl am ehesten wissen. „Tja“, zuckt der 98-jährige rüstige Paul etwas mit den Schultern, „das ist eben so gekommen.“ Seine sechs Jahre jüngere Elisabeth sitzt neben ihm auf der Couch wie irgendwann im Sommer 1930 auf der Parkbank irgendwo in Döbeln, als sie beide im Dunkeln die Glühwürmchen zählten, und verfolgt jedes Wort. „Wir wollten uns ja schließlich“, sagt sie.

Nur vorher wollte sie nicht: „Wir Mädels in Döbeln mochten keine Soldaten.“ Gruppenkodex! Paul Ludwig war nämlich einer bei der Reichswehr, Berufsunteroffizier auch noch. Zum Ausgang ging’s in die Tanzlokale, uniformiert, Brust raus und den noch nicht vorhandener Bauch rein! Gelernte Manieren der Tanzstunde zeigen sowie mit Charleston, Tango und Walzer Eindruck schinden! Paul ließ bei seiner zarten Flamme nicht locker. So gab es eine riesenlange Rose, in einem schmucken Karton verpackt. Und gemeinsam fuhren sie schon vor der Ehe in den Urlaub. Getrennte Zimmer? Aber nicht doch ... Wenn das nicht Liebe war und ist!

Heute feiern beide in Königsbrück ihr steinernes Liebesglück! Oder die Gnadenhochzeit, wie die Literatur für sieben Jahrzehnte Ehe auch ausweist. Aber das ist den Ludwigs und ihren Nachkommen völlig egal. Eine große Fete ist angesagt, auf heute und die nächsten Tage verteilt! Herzlichsten Glückwunsch auch von der SZ! Wir kommen in fünf Jahren wieder zur Kronjuwelenhochzeit!

Wechsel von inniger

Nähe und Getrenntsein

Die Frage nach dem Ehekitt bleibt. Vielleicht der Wechsel von inniger Nähe und Getrenntsein? Gewollt und ungewollt. 1931 wird Paul nach Königsbrück versetzt, um das Offizierskasino im Neuen Lager zu übernehmen. Dann holt er sich 1938 Nachschlag, wie es im Soldatenjargon heißt: Verpflichtung für weitere Dienstjahre! Und ab zur Zahlmeisterschule nach München! Ein Jahr später kommt der fürchterliche Krieg. Elisabeth sorgt sich mit anderen Frauen, Müttern und Mädchen dieser Welt um Mann, Sohn und Liebsten. Nur Briefe und gelegentlicher Urlaub halten die Verbindung aufrecht.

Am 27. Mai 1946, zum 13. Hochzeitstag, entlassen die Amerikaner den Kriegsgefangenen Paul Ludwig aus einem Lager nahe dem französischen Reims. Wenige Tage später steht er auf der Türschwelle eines kargen Barackenraumes im Alten Lager, wo Elisabeth mit der elfjährigen Tochter Rosemarie und dem zweijährigen Sohn Gerd hauste. Nach Flucht zwischen Königsbrück und Döbeln hin und her sowie Verlust der Wohnung. Die Kriegssieger brauchen jetzt die Häuser. Das Ehepaar ist überglücklich, den Krieg lebend überstanden zu haben. Nur Gerd verkriecht sich unter dem Rock der Mutter. Den Mann kennt er wirklich nicht. Klar, die Kinder sind Ehekitt. „Drei habe ich geboren“, erzählt Elisabeth Ludwig. „1938 die Rosemarie, 1940 einen Sohn, der leider noch vor der Namensgebung verstarb, und 1944 kam Gerd.“ Ein Schwiegerkind, vier Enkel und drei Urenkel gehören heute zur Familie. Die Tochter wohnt in Dresden und Gerd mit seiner Frau Heike im Haus.

Die Nachkommen sind auch immer Verpflichtung, für sie bestens zu sorgen. Elisabeth tut es als Hausfrau und gelegentliche Tätigkeiten als Verkäuferin. Schließlich hatten ihre Eltern ein Kolonialwarengeschäft in Döbeln. „Im Geschäft muss man immer mobil sein, außerdem gibt’s immer Publikumsverkehr“, zählt sie die schönen Seiten ihrer Arbeit auf.

Paul arbeitet 1946 zunächst im gelernten Beruf als Schlosser in Königsbrück. „Das war nicht die Welt, was ich da an Lohn nach Hause brachte. Aber wir lebten bescheiden“, erinnert sich Paul Ludwig. Auch Ehekitt? Vielleicht! In dieser Zeit entwickelte sich, notgedrungen, seine zweite große Liebe, die zur Gartenarbeit. Diese sprang sofort auf die Frau über – und hält gleichfalls bis heute an. Arbeitsteilig. Sie kümmert sich um das Schöne und Genüssliche wie Blumen, süße Beeren und Wein, er um Radieschen, Blumenkohl, Pilze, riesige Tomaten und Gurken. Paul Ludwig war 34 Jahre Mitglied der Sparte Kleingärtner und unter anderem auch als Fachberater tätig. Er ist Ehrenmitglied der Sparte. Sein Garten am Haus, rund 400 m², zeigt den Fleiß der Eheleute.

Immer gesund gelebt

und kräftig gearbeitet

„Eigentlich haben wir immer gesund gelebt und kräftig gearbeitet.“ Beispielsweise als Kasinodirektor bei der Roten Armee. Von 1957 bis 1973 arbeitet er bei einem Kfz-Instandsetzungsbetrieb in Hoyerswerda als Materialbeschaffer und Versorger. Und immer versorgt auch Elisabeth die Familie. Sorgen und immer füreinander da sein, ist das Ehekitt? Beide nicken. Dann schlägt Paul Ludwig seinen Kalender 2003 auf. Auf die Innenseite hat er das Liebesrezept notiert. Dort steht: „Hoffnung, Glaube, Liebe – vier Regeln für eine glückliche Ehe: 1. Vertrauen, 2. Verstehen, 3. Verzeihen, 4. Verzichten.“

Paul Ludwig freut sich, dass er endlich die Frage nach der Liebe beantworten kann. Und seine Frau sagt nur: „Jaja, das ist mein Paul. Er ist wirklich stark.“