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Über ein Phänomen des Dritten Reiches

In der „Enzyklopädie des Nationalsozialismus“ von 1997 heißt es unter dem Stichwort „Todesmärsche“: Phänomen im Dritten Reich, vor allem gegen Ende des Krieges, als die Häftlinge etlicher KZ evakuiert, d.

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Von Dr. Dieter Rostowski

In der „Enzyklopädie des Nationalsozialismus“ von 1997 heißt es unter dem Stichwort „Todesmärsche“: Phänomen im Dritten Reich, vor allem gegen Ende des Krieges, als die Häftlinge etlicher KZ evakuiert, d. h. in großer Zahl gezwungen wurden, unter unerträglichen Bedingungen und brutalen Misshandlungen über weite Entfernungen zu marschieren, wobei ein großer Teil von ihnen von den Begleitmannschaften ermordet wurde.

Solche Erfahrungen mussten auch Bürger von Städten und Gemeinden hier in der Oberlausitz im Frühjahr 1945 machen. Immer wieder sahen sie solche KZ-Häftlingskolonnen. Sie erfuhren augenscheinlich vom brutalen und mörderischen Vorgehen der Nazi-Begleitkommandos. Oftmals waren es skrupellose SS-Leute, aber auch Wehrmachtssoldaten, die auf die Häftlinge einprügelten oder sie gar erschossen. Diese Ereignisse wurden in den zurückliegenden Jahrzehnten durch Nachforschungen dokumentiert. Die vorliegenden Zeugenaussagen sind erschütternd. Solche Aussagen und besonders auch jene der überlebenden Häftlinge zeichnen ein anschauliches Bild der katastrophalen Geschehnisse damals in unserer Heimat. Günther Wallner aus Kamenz, der 1945 zwölf Jahre alt war, erinnert sich heute, was er und Gleichaltrige erfahren mussten: „Wir Jungen haben Schlimmes gesehen und erlebt. …Ich stand 1945 an der Straße in Thonberg, am Sandberg, und sah, wie ein SS-Mann einen KZ-Häftling erschoss.“ Seine Mutter, Lina Wallner, gab am 7. September 1945 der Kamenzer Polizei die Ereignisse um die Ermordung dieses Häftlings zu Protokoll. Wie sie äußerten sich 1945 und später viele Bürger der Städte und Gemeinden des Kreises Kamenz sowie anderer Kreise der Oberlausitz über Todesmärsche von KZ-Häftlingskolonnen bzw. auch von Kolonnen der Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen.

Wenn wir im Frühjahr 2003 des 58. Jahrestages dieser Todesmärsche gedenken, dann erinnern wir uns der Leidenden der Nazi-Zeit, die Faschismus und Krieg mutig die Stirn boten. Sie büßten dafür mit unerträglicher Erniedrigung, waren brutalen Misshandlungen ausgesetzt und wurden von Hunger und Durst geplagt. Viele von ihnen fielen den mörderischen Kugeln der Nazis zum Opfer bzw. konnten aufgrund der erfahrenen Schikanen das Kriegsende nicht mehr erleben.