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Überleben auf der Apfelblüte

Die Obstbauern beginnen jetzt, Schädlinge zu bekämpfen. Wie riskant ist der Chemie-Einsatz für Bienen und Menschen?

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Von Heike Wendt

Er ist klein, und er ist den Obstbauern nicht wohlgesonnen: der Apfelblütenstecher. Der etwa vier Millimeter große Rüsselkäfer legt seine Eier in den Blütenknospen der Apfelbäume ab. Hat er das erstmal geschafft, gibt es keine Chance mehr. Die Blüte wird braun und fällt ab. Auf den Obstplantagen wappnet man sich mit Chemie gegen einen möglichen Befall. Die Imker rund um die Obstanbaugebiete aber sehen ihre Bienenvölker ungern zwischen gespritzten Blüten umherfliegen. Und auch Verbraucher haben Sorgen.

Warum greifen Obstproduzenten

zu Pflanzenschutzmitteln?

Auf etwa 1 000 Hektar im Raum Dresden werden zwischen 30 000 und 40 000 Tonnen Äpfel im Jahr gepflückt –  sofern nicht Apfelstecher, Läuse, Schorf oder Mehltau die Ernte beeinträchtigen oder gar vernichten. Gegen Schädlinge wappnen sich die Obstproduzenten mit Chemie. Denn in der Obstauslage sind es später die knackig aussehenden, wohlgeformten Äpfel, die zum Kauf locken. Nur sie werden den Erzeugern vom Handel abgenommen. „Sind Schorfstellen oder Hageldellen drauf, brauchen wir die Äpfel erst gar nicht anzubieten“, sagt Dr. Olaf Krieghoff. Der promovierte Gartenbauingenieur ist Anbauberater in der Erzeugergemeinschaft Veos. Vermarktet werden dort u.a. Äpfel aus Borthen, Pirna-Krietzschwitz und Stolpen.

Wie oft bekommen die Apfelbäume mit Chemie zu tun?

So wenig wie möglich, sagen die Obstbauern. Die Obstbaubetriebe von Veos arbeiten seit den 90er-Jahren nach dem Prinzip der sogenannten integrierten Produktion. Man versteht darunter den naturnahen Anbau als eine Art Bindeglied zwischen konventioneller und ökologischer Landwirtschaft. „Das heißt konkret, dass wir jede Sorte und jede Anlage regelmäßig auf Befall untersuchen und dann entscheiden, wo Pflanzenschutz nötig ist“, erklärt der Anbauberater.

Welche Alternativen

zum Spritzen gibt es?

Ein Kritikpunkt ist das Spritzen gegen Unkräuter zwischen den Baumreihen. „Das Gras nimmt den Bäumen Wasser und Nährstoffe“, sagt Olaf Krieghoff. Deshalb werde ein Mittel gespritzt, bei dem sich „die Unkräuter zu Tode wachsen.“ Alternativ könnte man sechsmal pro Jahr mit dem Trekker durch die Anlagen fahren und das Unkraut umpflügen. Ob Dieselverbrauch und Bodenverdichtung zu einer besseren Ökobilanz führten, bezweifelt Krieghoff.

Kommen Bio-Äpfel

ohne Spritzmittel aus?

Nein. Im Ökolandbau sind synthetisch hergestellte Pflanzenschutzmittel verboten, nicht aber Pyrethrine. Aus diesen Naturstoffen werden Insektizide hergestellt.

Wie gefährlich ist der Chemie-Einsatz für den Verbraucher?

Wie anderes Obst und Gemüse, werden Äpfel regelmäßig auf Rückstände von Pflanzenschutzmitteln kontrolliert. Sind welche zu finden, werden sie beim Obstproduzenten reklamiert. Zudem erhalten die Betriebe nur begrenzte Genehmigungen für den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln.

Bienen werden zur Bestäubung der Anlagen gebraucht. Was stört Imker?

Gegen einige Schädlinge werden nikotinhaltige Mittel. Deren Einsatz wird zurzeit in der EU-Kommission überprüft, möglicherweise droht ein Zulassungsstopp. Diese Mittel stehen im Verdacht, für massenhaftes Bienensterben verantwortlich zu sein. „Käme das Verbot, wären wir sehr froh“, sagt Bernhard Borchers aus Heidenau. Denn der Imker und Chemiker schickt seine Bienen gern in Obstblüten.

Wie können Apfelproduzenten

und Imker zusammenkommen?

Um die Bienen nicht zu gefährden, haben sich Erzeugergemeinschaft und Imker auf ein „Frühwarnsystem“ geeinigt. Bevor gespritzt wird, erhalten die Imker der Umgebung eine Mitteilung. So können sie ihre Bienenbeuten umsetzen. Ohnehin wollen die Borthener Obstbauern mehr Abwechslung in den Anlagen. In Krietzschwitz ist eine Hecke mit Blütenpflanzen wie Phacelia, Karde, Kornblumen und Malven angelegt worden. Bei künftigen Anpflanzungen dürfen Imker bei der Auswahl mitreden.