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Übernachten im Märchenschloss

Das Alte Gaswerk in Hřensko war lange eine Ruine. Jetzt kann man darin speisen, übernachten und sich sogar etwas gruseln.

Von Steffen Neumann
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Jan Pecka und sein Märchenschloss. Ein Mittagessen im einstigen Gaswerk von Hrensko (Herrnskretschen) ist etwas Besonderes.
Jan Pecka und sein Märchenschloss. Ein Mittagessen im einstigen Gaswerk von Hrensko (Herrnskretschen) ist etwas Besonderes. © Petr Špánek

Es ist ein seltsames Bauwerk, das Wanderer in Hřensko (Herrnskretschen) erblicken, wenn sie mal vom Hauptweg durch den Ort abweichen. Hält man sich von der Elbe kommend auf der rechten Seite des Flüsschens Kamenice (Kamnitz), zweigt bald ein mit dem grünen Wanderzeichen markierter Weg rechts zum alten Friedhof ab. Der Weg steigt an und dann taucht linker Hand dieses Gebäude auf, das an eine Burg erinnert. Die Wände sind mit großen Sandsteinquadern gemauert und über dem Dach erhebt sich ein kleines Türmchen. Vor dem Gebäude befindet sich eine Plattform mit einem ebenfalls aus großen Sandsteinquadern gemauerten Geländer, unter dem der kleine Bach hervorschießt.

„Das war mal ein Gaswerk. Von 1905 bis etwa 1925 wurde hier Acetylen hergestellt, mit dem in den Häusern in Hřensko geleuchtet wurde“, klärt Jan Pecka auf. Acetylen wurde aus Calciumcarbid und Wasser hergestellt, was die Nähe zum Bach erklärt. Gas wird hier jedoch schon lange nicht mehr produziert. Die Gaslampen in den Häusern wurden schrittweise durch elektrische Lampen ersetzt und das Gaswerk stellte seinen Betrieb ein. Später diente das Haus eine Zeit als Wohngebäude, doch den langsamen Verfall konnte das nicht aufhalten. 

Dass das Gaswerk heute wieder so aussieht, hat mit Peckas Vorgänger zu tun. „Das war ein Herr Franěk aus Prag. Der hat das Haus vorm Verfall gerettet. Als er es 2004 kaufte, gab es kein Dach mehr. Vier Jahre hat er es saniert und dann zehn Jahre als Ferienhaus vermietet. Doch dann ging er in Rente und seine Kinder hatten kein Interesse“, erzählt Pecka die Geschichte, bis er auf den Plan trat.

Exklusive Übernachtung in historischer Umgebung: das Turmzimmer des Gaswerks.
Exklusive Übernachtung in historischer Umgebung: das Turmzimmer des Gaswerks. © Petr Špánek

Pecka ist trotz seiner 40 Jahre ein alter Hase in der Gastronomie. In Šluknov (Schluckenau) und Rumburk (Rumburg) betrieb er Bierbars, Betriebskantinen, eine Gaststätte und eine Disco. Doch fehlendes Personal und ein schwieriges Umfeld für die Disco ließen in ihm den Entschluss reifen, nach 18 Jahren aufzuhören. „Ich hatte alles abgegeben, nur die Bierbar behalten und wollte von der Vermietung von Wohnungen leben, die mir gehörten, als ich auf das Gaswerk stieß.“

Er konnte Herrn Franěk gut verstehen, dass er dieses Gebäude gerettet hat. „Ich habe mich sofort verliebt.“ Der Ruhestand wurde also verschoben und viel Geld investiert. Nicht nur in den Kauf, sondern auch in den Umbau. Aus einem Ferienhaus wurde eine Pension mit vier Zimmern und ein Restaurant mit über 80 Sitzplätzen. Allein 50 kamen durch einen Erweiterungsbau hinzu, der seit diesem Jahr genutzt wird. Im Sommer gibt es draußen auf der Terrasse noch einmal 70 Plätze.

Vor allem ging es Pecka darum, an die frühere Funktion des Hauses zu erinnern. Überall finden sich liebevoll erhaltene Elemente von Industriedesign. Stromkabel stecken in auf alt gemachten Wasserleitungen. Die Steckdosen sind aus Bakelit, das Mobiliar historisch und im Gastraum meldet sich jede Stunde ein Uhrwerk mit Zahnrädern.

Bei den Gästen kommt das an. Die sind wie zu erwarten keine Laufkundschaft. Die Hunderttausenden, die sich jede Saison an Buden voll billiger Zigaretten und Nepp vorbeischieben, bekommen von dem Industriejuwel nichts mit. Die Zufahrtsstraße ist zwischen zwei Asia-Märkten eingeklemmt. „Da müsste jemand zufällig gerade im richtigen Moment in unsere Richtung schauen.“ Oder am eingangs erwähnten Wanderweg entlanglaufen. Deshalb sind Peckas Gäste vor allem Touristen, die gezielt an einem ungewöhnlichen Ort übernachten möchten. „Die Gäste kommen inzwischen gern wieder oder empfehlen uns weiter.“ Das Gaswerk ist auch ein beliebtes Objekt auf diversen Fotoportalen.

Jede Stunde schlägt die historische Uhr und drehen sich die Räder. 
Jede Stunde schlägt die historische Uhr und drehen sich die Räder.  © Petr Špánek

Auch das Restaurant wird immer mehr angenommen. Denn es hat jeden Tag im Jahr von 9 bis 21 Uhr geöffnet. Ist er im Winter da nicht manchmal einsam? „Erstens kann ich das Personal nicht für paar Monate entlassen. Dann kommt es nämlich nicht wieder. Und zweitens sind hier immer Leute, auch im Winter, da wir die einzigen in Hřensko sind, die jeden Tag so lange geöffnet haben.“

Gut möglich, dass das Alte Gaswerk auch noch in anderen Kreisen beliebt wird. Denn glaubt man Pecka, spukt es in dem Haus. Bei einem Unfall soll ein junger Arbeiter des Gaswerks ums Leben gekommen sein. „Er wurde etwas oberhalb auf dem Friedhof begraben, treibt aber seitdem als Geist sein Unwesen“, sagt Pecka ganz ernsthaft und nennt einige Beispiele: „Es ist immer wieder passiert, dass oben im Turmzimmer Licht brannte, obwohl wir das ausgemacht hatten und dort kein Gast war. Regelmäßig klemmt die hintere Tür zur Küche oder es wackeln ohne Grund die Gläser.“ Pecka hat es aufgegeben, zurückzukehren und das Licht im Turmzimmer zu löschen. „Meine Mutter kennt einen Priester, der das Haus schon weihen wollte. Aber so lange das nur so ein harmloser Geist ist, mag ich ihn nicht vertreiben“, sagt Pecka.

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