Von Thomas Mielke
Sie steht mitten in Zittau, ist stadtbildprägend und hat bereits rund 750 Jahre auf dem Buckel – die Klosterkirche. Ihre Hochzeit war vor 600 Jahren, als die Prager Domherren vor den Hussiten ins Zittauer Kloster und auf den Berg Oybin flohen und von dort regierten. Nun könnte das Gotteshaus wieder eine Sternstunde der überregionalen kirchlichen Bedeutung erleben: In ihren Mauern soll am Ende der Lutherdekade 2017 die zentrale Gedenkausstellung der Oberlausitz für die Kirchen-Reformation vor 500 Jahren stattfinden.
Wie Museumsdirektor Marius Winzeler sagt, ist das dezentrale Projekt in Zittau eines von wenigen neben den bundeseinheitlichen Feierlichkeiten. Der Kulturraum Oberlausitz-Niederschlesien hat bereits grünes Licht gegeben, der Bund ist im Boot, die Staatlichen Kunstsammlungen und viele andere. Während bei der zentralen Feier vor allem der Reformator und sein Wirken im Mittelpunkt stehen, sollen es in Zittau die „Gesichter der Reformation“, der normalen Bürger am Schnittpunkt zwischen Böhmen, Schlesien und Sachsen sein. Mit den Epitaphien – den früher in Kirchen aufbewahrten Gedenktafeln für Zittauer – gibt es einen Schatz, der laut Winzeler als zentraler Bestandteil der Ausstellung bestens geeignet ist. „Es gibt kein Reformationsprojekt, dass so kleingliedrig international ausgerichtet ist“, schwärmt der Museumschef.
Die evangelisch-lutherische Kirchgemeinde Zittau als Eigentümer der Klosterkirche ist ebenfalls von dem Vorhaben begeistert. Die Epitaphien mit ihren Bildnissen und den Erinnerungstexten seien wertvolle Zeugnisse der Stadt- und Kunstgeschichte, sagt Brigitte Kluttig vom Kirchgemeinde-Vorstand. Sie gehören unbedingt ausgestellt. Zudem „schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe“, sagt Pfarrer Christoph Stempel. Nicht nur, dass die „vielleicht bedeutendste Epitaphien-Sammlung Europas“ wieder öffentlich zugänglich wird. Darüber hinaus könnte die Sammlung zusätzlich Kulturfreunde anlocken, die wegen des Fastentuchs ohnehin über einen Zittau-Besuch nachdenken.
Die Gemeinde freut auch, dass durch die Ausstellung der seit vielen Jahren ungenutzte Hauptraum der Kirche wieder eine sinnvolle Nutzung bekommt. Im Gegensatz zur überregional beachteten Habsburgausstellung 2002 und der Phänomenal-Schau vor zwei Jahren in Museum und Klosterkirche sollen die Epitaphien sogar dauerhaft ein neues Zuhause in dem Gotteshaus finden. Damit würde der Hauptraum der Kirche allerdings vor allem vom Museum genutzt, das seit 1937 im dazugehörigen stadteigenen Kloster residiert.
Damit steht die Frage im Raum: Soll die Stadt die Klosterkirche in ihren Besitz übernehmen? Die Kirchgemeinde und die Landeskirche sagen: ja. Zwar können sich nicht alle Gemeindeglieder damit anfreunden. „Ihnen fällt es schwer, den Weg mitzugehen“, sagt Frau Kluttig. Aber die Gemeinde braucht das Gotteshaus nicht mehr. „Auch wir sind der demografischen Entwicklung unterworfen“, sagt Pfarrer Stempel. Die Gemeinde hat inzwischen zu wenige Mitglieder für zu viele Kirchen. Da das auch in anderen Orten so ist, hat die Landeskirche alle Gemeinden aufgefordert, sich zu überlegen, welche Kirchen erhalten werden sollen. Für die anderen soll eine neue Nutzung gefunden werden – oder sie verfallen. Die Zittauer haben sich vor allem für die Johanniskirche und gegen die Klosterkirche entschieden. Man wolle sie aber nicht verfallen lassen, sondern einer neuen Nutzung zuführen, sagt Stempel.
Vor diesem Hintergrund kommt der Gemeinde die Nutzung durch das Museum gerade recht. Zumal der Freistaat der Stadt laut Winzeler schon 1996 empfohlen hat, sie als Ausstellungsfläche in das Museum zu integrieren. 2010 hat das der Stadtrat auch schon mal perspektivisch beschlossen – allerdings ohne den Hintergrund eines Eigentümerwechsels.
Um der Stadt die Übernahme schmackhaft zu machen, unterbreitet ihr die Kirche ein millionenschweres Angebot: Wenn Zittau die Klosterkirche nimmt, wird sie vorher umfassend saniert – ohne einen Euro aus der Stadtkasse. Nur eine Bitte hat die Kirchgemeinde im Gegenzug: „Wir wünschen uns, dass die Kirche geweiht bleibt“, sagt Frau Kluttig. Auch der Museumschef wünscht sich das. Wäre die Klosterkirche dann doch kein toter, historischer Ort.Hochzeiten und Taufen wären genauso noch möglich wie vereinzelte Gottesdienste oder andere Kirchenveranstaltungen.
Der Stadtrat hat das Angebot auf dem Tisch und diskutiert zurzeit nicht-öffentlich darüber. So viel ist bisher schon nach außen gedrungen: Unumstritten ist die Übernahme wegen der drohenden langfristigen Folgekosten nicht. „Die Klosterkirche ist keine Bürde für die Stadt, vielmehr lösen wir gemeinsam mit der Kirche eine städtebauliche Aufgabe“, wirbt Oberbürgermeister Arnd Voigt (Freie Bürger) um Zustimmung. Er will das Gotteshaus zur Stadt holen. Am 23. Juli, während seiner letzten Sitzung als Stadtoberhaupt, soll die Entscheidung fallen.