Überraschung in der Arbeitsagentur

Riesa. In Zeiten von Corona ist die Arbeitsagentur besonders gefragt: Die Telefonanlage brach zeitweise zusammen, weil die zehnfache Zahl an Anrufen wie sonst eingeht. Vor allem geht es derzeit um Kurzarbeit. Nun wurde am Dienstag die nächste Neuigkeit aus Riesa bekannt: Die Chefin geht.
Petra Schlüter wechselt zur Arbeitsagentur Plauen, wo sie bereits am Mittwoch - zum 1. April - den Vorsitz der Geschäftsführung übernehmen wird. Die gebürtige Sauerländerin war erst 2017 zur Arbeitsagentur nach Riesa gekommen, die für das gesamte Gebiet des Landkreises Meißen zuständig ist. Der SZ hat sie zum Abschied Fragen beantwortet.
"Diesmal ist die gesamte Wirtschaft betroffen"
Frau Schlüter, vor drei Jahren haben Sie die Stelle als Agenturchefin in Riesa angetreten. Damals haben Sie zutreffend prophezeit, dass die Arbeitslosigkeit sinken wird. Wagen Sie zum Abschied auch noch eine solche Prognose?
Die positive Arbeitsmarktentwicklung in der Region ist vorübergehend Vergangenheit. Seit Mitte März haben zahlreiche Unternehmen Kurzarbeit angezeigt und wir verzeichnen einen anhaltend hohen Anzeigeneingang. Ich gehe leider davon aus, dass nicht jeder Arbeitsplatz erhalten bleiben und in der Folge die Arbeitslosigkeit ansteigen wird. Anders als bei der Krise 2008/2009 ist diesmal die gesamte Wirtschaft betroffen. Unternehmen stellen kaum beziehungsweise kein neues Personal ein und auch die Entlastung der Arbeitslosigkeit durch die Teilnahme unserer Kunden an notwendigen Qualifizierungsmaßnahmen ist aufgrund der aktuellen Gegebenheiten deutlich geringer. In den kommenden Monaten wird daher die Arbeitslosigkeit ansteigen.
Sie hatten 2017 zwei Schwerpunkte für Ihre Tätigkeit angegeben: Leute in Arbeit zu bringen, die es schwer auf dem Arbeitsmarkt haben, - und den Übergang von Schule zum Beruf zu verbessern. Sind Sie mit den Ergebnissen zufrieden?
Ja, ich bin zufrieden. Gemeinsam mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie den Arbeitsmarktakteuren im Landkreis Meißen sind wir bei beiden Schwerpunkten gut vorangekommen. Mit gezielten Investitionen förderten wir die Integration unserer Kunden in den Arbeitsmarkt. Unser Fokus lag auf der beruflichen Bildung, um unsere die Kenntnisse und Fähigkeiten/Qualifikationen zu vermitteln, die seitens der Arbeitgeber nachgefragt werden. Aufgrund der hohen Nachfrage nach Arbeitskräften und unserer passgenauen Begleitung gelang es auch, Personen mit individuellen Vermittlungshemmnissen zu integrieren. Ich denke hier zum Beispiel an Personen ohne Berufsabschluss, Langzeitarbeitslose, Menschen mit Handicap oder mit Migrationshintergrund.
Im vergangenen Jahr haben wir unsere Berufsberatung neu aufgestellt und das Angebot der persönlichen Beratung durch eine höhere Präsenz in den Schulen erheblich ausgeweitet. Wir sind also dort, wo junge Menschen ohnehin unterwegs sind. Schüler haben kurze Wege und müssen nicht mehr für jeden Termin in die Arbeitsagentur kommen. Zusätzlich haben wir uns in die Jugendberufsagentur Meißen, eine Kooperation mit dem Landkreis Meißen – konkret Kreisjugendamt und Jobcenter – und der Vertreterin des Landesamtes für Schule und Bildung, aktiv eingebracht, um möglichst alle Jugendlichen beim Übergang von Schule in das Erwerbsleben zu erreichen. Kein Jugendlicher darf verloren gehen.
"Damals ahnte noch niemand etwas"
Ein Wechsel mitten in der Corona-Ausnahmesituation: War das eigentlich beabsichtigt?
Die langjährige Chefin der Agentur für Arbeit Plauen geht zum 1. April in den Ruhestand und die frei werdende Stelle war bereits im Herbst 2019 ausgeschrieben. Damals ahnte noch niemand etwas von der Corona-Krise. Meine Abordnung und damit die offizielle Bestätigung des Wechsels habe ich erst am Montag erhalten und ich weiß die Riesaer Arbeitsagentur auch in der jetzigen Ausnahmesituation gut aufgestellt. Vorübergehend wird mein Abwesenheitsvertreter und Leiter des Internen Service, Jörg Kunze, die Geschäfte übernehmen. Der Vorsitz der Geschäftsführung soll zeitnah nachbesetzt werden.
Warum wechseln Sie gerade nach Plauen? Brauchen Sie neue Herausforderungen - oder ist es eine Frage des Arbeitswegs?
Es ist die neue Herausforderung, hier konkret durch die Mitverantwortung für die Grundsicherung, denn im Vogtland ist das Jobcenter eine gemeinsame Einrichtung. Der Fahrweg verändert sich auch, ich habe jetzt mehr Autobahn, fahre allerdings vermutlich nunmehr mit und nicht mehr gegen den Strom. Daher rechne ich diesbezüglich nicht mit einer signifikanten zeitlichen Veränderung. Die im Übrigen ja etwa dem entspricht, was wir im Rahmen der Verfügbarkeit auch von unseren Kunden erwarten.
Was werden Sie an Riesa in Erinnerung behalten?
Ich werde mit ein bisschen Wehmut an die Riesaer Zeit zurückdenken, es war die erste Agentur, die ich leiten durfte. Wenn ich auf die Zeit seit dem 1. März 2017 zurückblicke, bin ich stolz auf das, was wir gemeinsam geschafft haben. Mit dem „wir“ meine ich die Riesaer Kolleginnen und Kollegen sowie alle Arbeitsmarktakteure im Landkreis Meißen. Ohne die zahlreichen Gespräche, den Erfahrungsaustausch und die angenehme, faire sowie konstruktive Zusammenarbeit hätte mich meine Aufgaben so nicht wahrnehmen können. Dafür möchte ich mich bei allen herzlich bedanken und bitte darum, diese Offenheit und das Engagement auch im Kontakt mit der neuen Leitung beizubehalten. Riesaer Nudeln, Meißner Wein und Tee vom Teehaus Radebeul werde ich zukünftig immer mit einem Gedanken an meine Zeit hier genießen. Die Meißner Weinberge und der Barockpark Zabeltitz bleiben mir als lohnenswerte Ausflugsziele in Erinnerung.