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Überstunden zum Valentinstag

Mit einem Blumenladen wagte Melanie Bernhardt den Schritt in die Selbstständigkeit. Valentinstag ist ihr Tag.

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Von Ingo Kramer

Normalerweise öffnet Melanie Bernhardt ihr Blumenfachgeschäft „Kleeblatt“ montags immer erst ab 13 Uhr. Zum heutigen Valentinstag jedoch ist alles anders: Für die 22-Jährige ist der heutige Tag der erste große Höhepunkt ihrer noch kurzen Selbstständigkeit.

„Kreativ gebastelt und Blumenkränzchen gemacht habe ich schon lange“, erinnert sich Melanie Bernhardt. Bald schon hatte sie das Gefühl, dass aus diesem Hobby mehr werden könnte. Also begann sie vor fünfeinhalb Jahren bei der damaligen „Neißestadt“ Görlitz Zierpflanzen eG ihre Ausbildung zur Floristin.

In dieser Zeit arbeitete sie hauptsächlich in der Filiale an der Frauenkirche. Ein halbes Jahr, nachdem sie im Sommer 2002 ihre Abschlussprüfungen bestanden hatte, wurde sie als Filialleiterin in das Geschäft Reichertstraße 10/Ecke Jauernicker Straße versetzt. Hier konnte die im Erzgebirge geborene Ludwigsdorferin ihre Ideen umsetzen: „In dem Geschäft hatte sich in den vergangenen zehn oder 15 Jahren nicht viel verändert, und so habe ich erst einmal eine Lkw-Ladung voll mit all dem entsorgt, was ich nicht mehr gebrauchen konnte“, erinnert sie sich.

Anschließend malerte sie die Filiale in drei freundlichen Farben und gestaltete den grundlegend umgeräumten und größer wirkenden Raum mit Stoffen und Dekoration aus. Auch das Sortiment erweiterte sie.

Insolvenz kam Knall auf Fall

Dass es mit der „Neißestadt“ bergab ging, wusste sie lange Zeit nicht. Erst als der Septemberlohn 2004 nicht wie gewohnt Ende Oktober auf ihrem Konto einging, wurde sie misstrauisch. Danach ging alles ganz schnell. Die Insolvenz kam am 9. November.

Für die Filialen gab es drei Möglichkeiten: die Übernahme durch eine große Kette, die Selbstständigkeit oder die Schließung. „Da meine Filiale nicht gerade zentral liegt, kam die erste Variante nicht in Frage“, resümiert Melanie Bernhardt. Nach einigem Abwägen entschied sie sich für die Gründung einer Ich-AG: „Sonst wäre ich arbeitslos geworden oder hätte die Region verlassen müssen“, sagt sie. Beides wollte sie nicht.

Bereits am 30. Dezember, einen Tag vor ihrem 22. Geburtstag, startete sie mit dem neuen Namen „Kleeblatt“ in die Selbstständigkeit. Dazu wurde sie nicht nur von Familie und Freunden, sondern auch von vielen Anwohnern der Südstadt ermutigt.

Siegfried Therburg ist einer von ihnen. Er wohnt im selben Haus, und wenn er in den Urlaub fährt, gibt er der jungen Frau einige Pflanzen in Pflege. „Sie wird das schon packen“, sagt Therburg optimistisch. Es könne schließlich nicht sein, dass die gesamte Jugend abwandere.

Auch Joachim Baensch aus Biesnitz kauft seine Blumen hier: „Schon allein deshalb, weil man hier besonders nett bedient wird“, sagt er über den Laden und seine Besitzerin. Dass sich hinter den Kulissen in den letzten Monaten einiges verändert hat, ist ihm noch nicht aufgefallen.

Für Christina Urban hat sich schon einiges verändert: Ihr sind mit der Insolvenz viele Treuepunkte verloren gegangen. Das hält sie jedoch nicht davon ab, dem Geschäft die Treue zu halten: „Der Laden ist in letzter Zeit so viel schöner und kundenfreundlicher geworden. Außerdem gibt es mehr Grünpflanzen.“ Auch Siegrid Heine ist froh, dass es das Geschäft noch gibt: „Wenn ich Blumen kaufe, dann hier“, sagt sie bestimmt.

Mehr zu tun als vorher

Für Melanie Bernhardt schon: Ware annehmen, Ware auffüllen, Sträuße machen, Pflanzungen vornehmen, Pflanzen tauchen, Kunden bedienen, den Laden reinigen, Abrechnungen erstellen – einfach alles, was zum Geschäft gehört, liegt einzig in ihrer Hand. Was sie machen würde, wenn sie einmal krank wäre, weiß sie noch nicht.

Trotz des erheblichen Mehraufwandes macht ihr die Arbeit Spaß. Den Schritt in die Selbstständigkeit hat sie bisher nicht bereut: „Besonders dankbar bin ich all den Kunden, die mir die Treue gehalten haben“, sagt sie. Ob ihr Konzept aufgeht, wird sich im Laufe der Zeit zeigen. Am heutigen Tag hat Melanie Bernhardt erst einmal die Gelegenheit, ihr eigenes Reich einer breiten Kundschaft zu zeigen.

Blumenfachgeschäft „Kleeblatt“, Reichertstraße 10, Telefon und Fax 03581/40 17 37.