Von Andrea Schawe
Freital. Als Fotos im Internet auftauchen, auf denen Matthias Weinlich lässig an der Rezeption im ehemaligen Leonardo-Hotel lehnt, ist der Protest groß. Neurechte und Rassisten hätten uneingeschränkten Zugang zu der Asylbewerberunterkunft, hieß es von linken Aktivisten. „Der Höhepunkt der Dreistigkeit ist aber damit erreicht, dass Mitorganisator der rassistischen Initiative ,Nein zum Heim’ Matthias Weinlich, nun die Spendenausgabe im Heim kontrolliert“, sagte ein Redner am vergangenen Montag bei einer Veranstaltung in Leipzig. „Dieser nutzt seine Position schamlos aus, um Geflüchtete zu schikanieren, Helfer einzuschüchtern und sich selbst und seinen Kulturrassismus aufzuwerten.“
Matthias Weinlich kann darüber nur mit dem Kopf schütteln. „Ich bin ein böser Rassist, aber fahre die Leute zum Arzt, übersetze und helfe in der Unterkunft?“ Mit einigen Bewohnern sei er befreundet, am Wochenende kochen sie zusammen oder fahren zu Ausflügen in den Saurierpark Kleinwelka.
Seit sechs Wochen arbeiten er und seine Frau Peggy ehrenamtlich im Leonardo. Sie organisieren die Kleiderspende, mittlerweile sind sie jeden Tag im Heim. Dreimal in der Woche ist die Kleiderkammer geöffnet, jeweils eine Stunde von zehn bis elf – ein Bewohner des Heims hilft bei der Ausgabe. Es dürfen immer nur ein paar Leute rein, sonst wird es in dem Raum zu eng. „Man muss so etwas organisieren, sonst endet das im Chaos“, sagt Weinlich. „Wenn man die Spenden auf dem Hof verteilt, fliegt die Hälfte weg, weil es irgendwem nichts nützt.“ Jetzt gibt es eine Kiste, in der Kleidung, die nicht gebraucht wird, zurückgegeben werden kann.
Nicht in die Spendenverteilung involviert
Entscheidet er, an wen welche Spenden verteilt werden? „Nein“, sagt Weinlich. Die Spenden würden hundertprozentig bei den Flüchtlingen ankommen „ohne irgendeine wie auch immer geartete Vorauswahl“. „Ich habe nur den Scheißjob, manchen Flüchtlingen zu sagen, sie können nicht alles mitnehmen, da kommen noch andere, die gar nichts haben.“ Die Listen darüber, wer welche Sachen bekommt, gebe es auch nur, um einen Nachweis zu haben, was mit den Spenden passiert ist.
Das bestätigt die Landesdirektion Sachsen, die für die Flüchtlinge in Erstaufnahme zuständig ist. „Herr Weinlich führt eine Ausgabeliste für Kleidung, um deren gerechte Verteilung zu ermöglichen“, sagt Sprecher Holm Felber. Zugang zu persönlichen Daten von Spendern habe er nicht, die Einrichtung sei aber rechtlich verpflichtet, diese Listen zu führen. Die Landesdirektion habe die gegen ihn erhobenen Vorwürfe geprüft, „diese haben sich als nicht haltbar erwiesen“, so Felber.
„Die Bewohner im Heim leiden darunter“, sagt Weinlich. Die Spenden gingen zurück, als die Vorwürfe öffentlich wurden, die Kleiderkammer konnte nicht öffnen, als er seine Arbeit ruhen lassen musste. „Nur, weil irgendwer etwas gegen mich hat.“ Er sei weder rechts noch links. Ja, er war im Organisationsteam von „Freital wehrt sich – Nein zum Heim“. „Weil ich gegen diese Asylpolitik bin, nicht gegen die Menschen. Das Problem ist politisch und bürokratisch“, sagt er. Ab Ende März übernahm Weinlich bei den wöchentlichen Demonstrationen gegen das Asylbewerberheim die Organisation der Ordner, seine Frau entwarf die Flyer. Einer der wichtigsten Leute im Ordner-Team war NPD-Stadtrat Dirk Abraham. „Der Dirk war wichtig, um die Leute in Schach zu halten“, sagt Weinlich heute. „Der Glatzkopf unter den Demonstranten lässt sich nichts sagen von einem Hans-Wurst, von einem NPD-Mitglied schon.“ Als es Ende Mai Unstimmigkeiten mit den anderen Organisatoren gab und die Demos deutlich aggressiver wurden, hörte er auf. „Wenn aus ,Asylantenheime’ ,Asylantenschweine’ werden, geht es gegen die Menschen“, sagt er.
Verzicht auf T-Shirts und Ausweise
Auch dass er Kontakte in die rechte Szene hat, streitet er nicht ab. „Dass ich mit einem Nazi oder Hooligan zum Heim komme, damit er sich die Geschichte von Flüchtlingen anhört, fanden einige nicht gut“, sagt er. „Aber es funktioniert. Es geht um gegenseitiges Verständnis.“ Die Provokation ist auch Absicht, sagt Weinlich. Das Problem sei, dass die Leute nicht miteinander reden. „Jeder redet über jeden, aber niemand kennt niemanden.“
Um das zu ändern, hat Weinlich im Juni die Initiative „Gemeinsam füreinander einstehen“ (GFE) gegründet. In der Öffentlichkeit treten die Mitglieder in uniformartigen GFE-Shirts auf, es gibt Ausweise und einen „Moralkodex“. „Beste paramilitärische Tradition“, heißt es von linken Aktivisten. Mittlerweile verzichtet Weinlich auf T-Shirts und Ausweise. Verschwunden sind auch asylfeindliche Ressentiments, die noch im Juli auf der Internetseite der GFE standen. „Eltern bangen um ihre Kinder, Frauen trauen sich nicht mehr auf die Straße, Männer denken über Bewaffnung nach“, hieß es da. Und: „Wir beschützen eure Kinder und begleiten eure Frauen. Wir geben euch das Gefühl der Freiheit und Sicherheit zurück.“ Dafür müsse man mit Asylbewerbern reden – allerdings nicht mit „Wirtschaftstouristen“. Jetzt heißt es: „Wir verfolgen keine politischen Absichten und sind keinem Lager zuzuordnen. Für uns ist nur wichtig, euch im Alltag zu unterstützen und Brücken zu bauen.“ Reale Konflikte könnten vor Ort entspannt oder gelöst werden. Weinlich trennte sich von Anhängern, „da wir als GFE nicht auf Gewalt setzen und nicht auf Hetze eingehen“.
Seine asylkritische Haltung habe sich durch das Engagement im Leonardo nicht geändert. „Egal, was ich für eine Meinung habe, es zählt, was ich mache. Ich bin menschlich“, sagt Weinlich. „Ich werde nie ein Pro-Asyl-Aktivist werden oder gegen rechts kämpfen und mich kriegt auch keiner dazu, die Linken zu bekämpfen.“