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Umstrittener Neubau genehmigt

Gegen den Willen von Stadt  und Ortschaftsrat darf das Einfamilienhaus gebaut werden. Die Anlieger sind sauer.

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Von Annett Heyse

Eigentlich wirkt die August-Bebel-Straße in Grumbach wie der Inbegriff einer friedlichen Reihenhaussiedlung. Ostereier baumeln an den Büschen in den Vorgärten, Narzissen wackeln im Frühlingslüftchen. Doch seit Wochen schon ist der Frieden gestört. Es geht um ein Bauprojekt, das die Optik des in den 30er-Jahren errichteten Wohngebiets empfindlich beeinflussen dürfte. Und das keiner mehr verhindern kann.

Schräg hinter dem Doppelhaus Nummer 15 und 17 wollen die Grundstückseigentümer ein neues Wohnhaus errichten. Es soll völlig anders aussehen als die umliegenden Häuschen und auch wesentlich wuchtiger und höher werden. Knapp zwei Meter dürfte der First des Hauses dann die anderen Gebäude überragen. Nicht nur die Ausmaße sind es, die viele Nachbarn erzürnen. Denn die Bauherren, ein Ehepaar aus Dresden, beide mit Doktortitel, ließen die Doppelhaushälfte Nummer 15 jahrelang verlottern. Löcher im Dach, kaputte Fensterscheiben, bröckelnder Putz – das Siedlungshäuschen verfällt, das umliegende Grundstück sieht nicht viel besser aus. Nachbarin Christine Mittelstädt kann nur den Kopf schütteln und von dem Ärger erzählen, den ihr die Situation bereitet. „Die Nachbarn machen nichts, außer das Haus als Abstellkammer zu nutzen“, klagt sie. Es werde nicht geheizt, überall dringe Feuchtigkeit, Kälte und Ungeziefer ins Gemäuer. „Es bildeten sich in der Mittelwand sogar Risse, die ich reparieren lassen musste“, berichtet sie. Ein Termin mit dem Nachbarn beim Friedensrichter brachte auch nichts. Und nun soll da auch noch ein „Hochhaus“ hin? Das Landratsamt jedenfalls hat dafür zum Entsetzen vieler und gegen den ausdrücklichen Willen von Ortschaftsrat und Stadt die Baugenehmigung erteilt.

Es ist nicht so, dass sich das Landratsamt aus Gutdünken durchsetzen wollte. Das Problem ist vielmehr, dass es für die Siedlung keinerlei Gestaltungsvorschriften gibt. Auch ein Bebauungsplan wurde für das Areal nie aufgestellt.

Weil es also keine Vorschriften gibt, die dem Bauvorhaben entgegenstehen, kann die Bauverwaltung des Landkreises das Projekt auch nicht verhindern. Im Baugesetzbuch gibt es lediglich den Paragrafen 34 zum Einfügegebot. Dort sind vier Kriterien aufgeführt, die gegeben sein müssen, nämlich Art und Maß der baulichen Nutzung, die Bauweise und die Grundstücksfläche, die überbaut werden soll. Das Vorhaben schräg hinter Nummer 15 erfüllt nach Auffassung des Bauamtes diese Kriterien. Würde der Landkreis den Bauantrag trotzdem ablehnen, könnten die Grundstückseigentümer klagen – und hätte gute Chancen. Denn ein Argument „das Haus passt hier nicht rein, weil es nicht schön aussieht“ ist ein subjektives Empfinden, das vor einem Gericht nicht standhalten würde.

Genau das Problem wollte sich der Landkreis offensichtlich nicht auf den Tisch ziehen, sondern lieber der Stadt Wilsdruff überlassen. Dort hat man tatsächlich darüber nachgedacht, Widerspruch einzulegen oder gerichtlich gegen den Hausbau vorzugehen. „Die Aussicht auf Erfolg von Widerspruch und die Klageeinreichung wurden geprüft“, berichtet André Börner, Chef der Wilsdruffer Bauverwaltung. Der Ortschaftsrat habe dazu auch nochmals beraten. Doch man fürchtet einen Misserfolg, der teuer werden kann. Börner: „Aufgrund der zu erwartenden Kosten und des ungewissen Ausganges wurde von einer Klage Abstand genommen.“ Die Bauherren selbst wollen sich zu dem Vorgang nicht äußern.

Beim Ortschaftsrat und den Anliegern ist man enttäuscht. „Ich kann gar nicht glauben, was hier läuft“, sagt Harry Alt, der ein paar Häuser weiter wohnt. Alt wohnt seit Jahrzehnten in der Siedlung, noch zu DDR-Zeiten hat er sein Haus vergrößert. „Da gab es genaue Ansagen, was ging und was nicht“, erinnert er sich. Beispielsweise durften die Häuser nicht erhöht, dafür seitlich so verlängert werden, dass die Optik erhalten bliebt und trotzdem mehr Wohnraum zur Verfügung stand. Was Harry Alt und andere Anlieger ebenfalls umtreibt, ist die Frage des Hochwasserschutzes. Denn die Wilde Sau, in Grumbach akut hochwassergefährdet, fließt dann nur wenige Schritte am neuen Haus vorbei. „Wird man denn gar nicht schlau“, fragt sich Harry Alt.

Stadtrat Ludwig Hahn, beruflich als Zimmermann unterwegs und mit der Projektierung von Bauten bestens vertraut, schüttelt auch nur den Kopf. „Es wäre ja schön gewesen, wenn der Bauherr mal Kontakt zum Ortschaftsrat aufgenommen hätte. Im Gespräch hätte man sicherlich andere Lösungen und Alternativen diskutieren können.“ Denn nun seien Nachbarschaftskonflikte vorprogrammiert.