Von Reiner Hanke
Ein bisschen schummrig ist es Montagabend im Jugendtreff Web-Haus. Regelrecht düster waren die Prognosen von Klaus Koch. Für die rund 90 Gäste aus Großröhrsdorf und Umgebung nahm der Gutachter vom Umweltnetzwerk Hamburg im Jugendclub das Heizwerk-Projekt der Firma Müllermilch unter die Lupe. Manuela Noack, Vorsitzende des Web-Hausvereines erklärt: „Wir wollen zu aktuellen Themen eine neutrale Plattform bieten. Jeder soll sich dann eine Meinung bilden.“
Schonungslose Analyse
Die Botschaft nach rund zweistündiger schonungsloser Analyse war klar: Dieses Heizkraftwerk für Müll sollte nicht gebaut werden. Darin war sich auch das Publikum spätestens nach dem Vortrag mit dem Referenten einig und zeigte das mit kräftigem Applaus. „Wir wollten endlich einen unabhängigen Gutachter hören“, so Antje Thomas (Stadträtin der Bürgerinitiative Gegenwind BIGW). Die Experten, die Müllermilch bisher aufgeboten habe, sprechen doch nur im Sinne des Unternehmens, ist sich die Kleinröhrsdorfer Ortsvorsteherin Heidrun Helaß sicher. Koch erklärte, er wolle keinesfalls Müllermilch als wichtigen Wirtschaftsfaktor diskreditieren. Aber er wolle auf die Gefahren aufmerksam machen, die eine solche Anlage mit sich bringe. Dazu nutzte der Gutachter Planungsunterlagen aus den Jahren 2006/2007 und recherchierte umfangreich in Gesetzen, wissenschaftlichen Arbeiten oder zog Analysen der Weltgesundheitsorganisation heran .
Vor allem widerspreche es Kochs Verständnis von Demokratie, dass der Konzern schon wenige Monate nachdem die Bürger das Vorhaben per Entscheid abgelehnt haben, die Pläne wieder aufwärme. Der Gutachter legte detailreich eine Vielzahl von Schwachstellen offen, die das Projekt aufweise und die Lebensqualität der Menschen im Umkreis des Werkes beeinträchtigen könnten. In einem Vier-Kilometer-Radius betreffe das vor allem Wachau, Lichtenberg, Großröhrsdorf, Pulsnitz und Radeberg. 316 Laster würden jeden Tag zusätzlich durch die Region donnern: Mit Brennmaterial wie Gewerbe- und Hausmüll hin, mit Schlacke wieder zurück. Dazu die Lkw der neuen Bio-Ethanol-Anlage. Die Laster vom Milchwerk selbst nicht zu vergessen. Das könne leicht passieren. Denn das Müller-Werk sei bisher nicht im Komplex betrachtet worden. Ein grober Mangel aus der Sicht Kochs. Davon hat er noch etliche weitere ausgemacht.
Vor allem die geplanten Schadstofffilter stehen in der Kritik. Die orientierten sich nur an den Minimalforderungen: „Eine minderwertige Anlage“, so Koch, die mit ihren zwei Reinigungsstufen dem Stand der Technik hinterherhinke. Es sei der Trabi, nicht der Mercedes auf dem Markt der Filtersysteme. Falls sich der Bau nicht verhindern lasse, dann sollten die Bürger beim Filter auf der S-Klasse bestehen, rät Koch.
Die Kontrollen in Deutschland seien viel zu lasch und der Schadstoff-Cocktail, der die Esse einer solchen Müllverbrennung verlasse, ein permanentes Gesundheitsrisiko: „Im Umkreis solcher Anlagen verkürzt sich die Lebenserwartung um zwei Jahre, das ist durch Studien belegt“, so Koch. Das Brandschutzgutachten sei ebenfalls unzulänglich: „Was passiert zum Beispiel, wenn die Bio-Ethanol-Anlage explodiert?“ fragt Koch. Schwer wiege auch die Einschätzung der Bundesregierung, dass es gar keinen Bedarf an weiteren Müllverbrennungsanlagen gebe. Koch rechnet deshalb mit einem Mülltourismus in die Region über Hunderte Kilometer. Die Umwelt bleibe auf der Strecke. Hier gehe es einseitig um rein wirtschaftliche Interessen. Koch spricht sogar von Volksverdummung. Dass ohne diese Anlage Arbeitsplätze gefährdet seien „ist nur ein Vorwand“, schätzt der Experte ein. Er empfiehlt, den Druck aus der Bevölkerung zu verstärken. Vor allem den Abgeordneten müsse deutlich gemacht werden, dass das „eine gefährliche Sache ist“, kündigt Klaus Stanke aus Kleinröhrsdorf an. Der Montagabend im Web-Haus unterstreicht das. Nur drei Großröhrsdorfer Räte wurden im Saal gesichtet. Und so manche Bürger fragten sich wie Familie Schurig, wo die Stadtväter sind: „Sie gehörten doch hier her.“