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Umweltminister auf Exkursion

Der Sebnitzer Wald gilt als Musterbeispiel für den Waldumbau. Das interessiert auch Sachsens Umweltminister Wolfram Günther. Doch die Erfolge sind fragil.

Von Dirk Schulze
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Sachsens Umweltminister Wolfram Günther (v.l.), Forstbezirksleiter Uwe Borrmeister, Revierförsterin Annette Schmidt-Scharfe. Der Umbau braucht Zeit.
Sachsens Umweltminister Wolfram Günther (v.l.), Forstbezirksleiter Uwe Borrmeister, Revierförsterin Annette Schmidt-Scharfe. Der Umbau braucht Zeit. © Norbert Millauer

Alles ist leuchtend grün, als Annette Schmidt-Scharfe durch ihr Wohnzimmer führt. Die Buchen haben Anfang Mai frisch ausgetrieben, von unten wächst der Ahorn nach. Ihr Wohnzimmer - so nennt die Revierförsterin den Sebnitzer Wald, ein bergiges Waldgebiet, das sich auf 360 Hektar östlich der Stadt entlang der tschechischen Grenze erstreckt. Der Sebnitzer Wald ist nur ein Teil des zerstückelten Forstreviers Unger, aber ein besonderer. 

Hier versucht die Revierförsterin seit 2006, einen naturnahen Waldumbau umzusetzen, eine Strategie, die ihr zum ersten Mal während ihres Studiums begegnet ist und die sie seitdem nicht mehr loslässt, wie sie sagt. Die Kunde davon ist bis in die Landeshauptstadt Dresden gedrungen, und so ist Schmidt-Scharfes Revier tatsächlich das erste, das Sachsens Umweltminister Wolfram Günther (Grüne) seit seinem Amtsantritt im Dezember 2019 in dieser Ausführlichkeit besucht. Zwei Stunden sind  eingeplant für die Exkursion durch den Sebnitzer Wald - am Ende werden drei daraus. 

Der Borkenkäfer steht ausnahmsweise mal nicht im Mittelpunkt bei diesem Termin. Anders als im übrigen Revier, ist der Schaden im Sebnitzer Wald bislang begrenzt. Minister Günther will vor Ort erfahren, wie der Waldumbau funktioniert und vor welchen Herausforderungen die Forstleute dabei stehen. Auf den ersten Blick ist der Minister gar nicht von den Forstmitarbeitern zu unterscheiden. Er trägt die gleiche Jacke mit Sachsenforst-Logo wie die Kollegen vom Staatsbetrieb, als er aus dem Auto steigt.

Nicht radikal vorgehen

Annette Schmidt-Scharfe führt den Umweltminister zum Waldflüsschen, einem kleinen Bächlein, das drüben in Tschechien entspringt, durch ihr grünes Wohnzimmer mäandert und in die Sebnitz mündet. Der Bachlauf steht als Flächennaturdenkmal unter besonderem Schutz. Flussabwärts des Weges hat sie 2006 recht radikal agiert, erzählt die Revierförsterin. Die Fichten ließ sie großflächig wegsägen, stattdessen wurden Ulme, Esche und Ahorn gepflanzt.   

Das Ergebnis fiel anders aus als erhofft. Die Eschen wurden vom Pilz befallen, der Ahorn trieb nicht aus. Lediglich ein paar Ulmen überlebten. Stattdessen wuchs die Fichte wieder nach. Waldumbau gescheitert - zumindest an dieser Stelle.  

Flussaufwärts wählte Annette Schmidt-Scharfe deshalb später eine andere Strategie. Die Fichten wurden nicht so radikal entnommen, die vorhandenen Laubhölzer behutsam freigestellt, damit sie mehr Licht abkriegen. Darunter entwickelte sich rasch eine Krautflora. "Das ging ratzfatz", sagt die Revierförsterin. 

Revierförsterin Annette Schmidt-Scharfe und Forstbezirksleiter Uwe Borrmeister. "Wir müssen schleunigst zur planmäßige Waldpflege zurückkehren."
Revierförsterin Annette Schmidt-Scharfe und Forstbezirksleiter Uwe Borrmeister. "Wir müssen schleunigst zur planmäßige Waldpflege zurückkehren." © Dirk Schulze

Mittlerweile wachsen hier auch Ulme, Kirsche und Eiche nach, obwohl die nie jemand gepflanzt hat. "Wir kriegen das alles gratis zurück, so lange die Mutterbäume da sind", erklärt die Försterin. Die Eicheln steckt der Eichelhäher in den Boden. Das ist es, was sie unter naturnahem Waldumbau versteht. 

Mindestens fünf verschiedene Baumarten sind das Ziel, im Sebnitzer Wald sind es stellenweise schon 15 Stück. "Ich habe gelernt, auf viele Baumarten zu setzen, um das Risiko zu streuen", sagt Annette Schmidt-Scharfe. 

Der naturnahe Umbau funktioniert freilich nur, wenn die Startbedingungen stimmen. Immer wieder betont die Revierleiterin, dass sie darauf aufbaut, was ihre Vorgängerinnen und Vorgänger in den vergangenen hundert Jahren im Sebnitzer Wald geleistet haben. Auch die Qualität der heutigen Naturschutzgebiete, wie zum Beispiel den "Heiligen Hallen" im Sebnitzer Wald - einem beeindruckenden Waldstück voller mächtiger Buchen - sei den Förstern zu verdanken, die sich zu DDR-Zeiten nicht immer an alle Vorgaben gehalten haben.  

Dem Sachsenforst fehlen Waldarbeiter

Ein behutsamer Waldumbau, im Idealfall mit mehr manueller Sägearbeit und weniger Harvestereinsatz, kostet Zeit und braucht vor allem genügend Personal, auch das erfährt der Minister auf der Exkursion. In den zurückliegenden Jahrzehnten wurden in Sachsen massiv Stellen für Waldarbeiter abgebaut, erklärt Landesforstpräsident Utz Hempfling, der ebenfalls im Sebnitzer Wald dabei ist. Ein Großteil der Arbeiten wird mittlerweile ausgeschrieben und von wechselnden privaten Firmen erledigt, nicht selten von weit her. 

Revierförsterin Annette Schmidt-Scharfe hingegen wünscht sich vor allem ortsgebundene, qualifizierte Waldarbeiter, die ihre Wälder kennen und wissen, auf welche nachwachsenden Baumarten sie beim Durchforsten besonders Acht geben müssen. Am mangelnden Interesse liegt es nicht. Im Gegensatz zu vielen anderen Berufen sind die Ausbildungsplätze bei Sachsenforst gefragt. Auf fünf Lehrstellen im Forstbezirk Neustadt kamen im vergangenen Jahr rund 40 Bewerber, berichtet Forstbezirksleiter Uwe Borrmeister. 

Kann der Umweltminister da Abhilfe schaffen? Die Aufgabe sei klar, sagt Wolfram Günther. Die Personalausstattung beim Sachsenforst will er mit in die nächsten Haushaltsverhandlungen nehmen. Angesichts der Coronakrise würden die allerdings nicht leicht. Aber: "Wir können es uns nicht leisten, dass der Waldumbau nicht funktioniert", sagt Günther. Der langfristige Schaden sei um ein Vielfaches größer. 

Für Revierförsterin Annette Schmidt-Scharfe ist die Lage eindeutig: "Wir müssen schleunigst zur planmäßige Waldpflege zurückkehren", sagt sie. Sonst geht das erreichte wieder verloren. Spätestens hier ist der Borkenkäfer dann doch wieder Thema. Denn die von ihm verursachten Schäden binden sämtliche Kapazitäten. Für alles andere bleibt keine Zeit.  

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