Katja Schäfer
Sohland. Manuel fährt gern Fahrrad. Fußballspielen macht ihm ebenfalls Spaß. Und mit seinem Bruder rangeln. Ausdauernd ist er beim Rasenmähen. Alles, was mit Bewegung zu tun hat, gefällt dem Siebenjährigen. Stillsitzen weniger. „Er ist sehr unruhig und kann sich schlecht konzentrieren“, sagt Mutter Veronika Wiertellok.
Der Junge aus Sohland wird wegen einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung – kurz ADHS – behandelt. Manuel, der bisher in Sohland in den Kindergarten ging und in einer Woche seine Zuckertüte bekommt, wird deshalb keine normale Grundschule besuchen, sondern in einer Klasse für Erziehungshilfe lernen. In Bischofswerda. Der Transport hin und zurück erfolgt per Schülertaxi. Mit dem weit entfernten Schulort haben Manuels Eltern kein Problem. Aber mit der Nachmittagsbetreuung.
Alle Hortplätze belegt
Der Hortplatz, der für ihren Sohn in Bischofswerda zur Verfügung steht, befindet sich nicht in dem Gebäude, in dem die Schule zur Lernförderung eine Außenstelle für Erziehungshilfe-Klassen betreibt, sondern am anderen Ende der Stadt. Madlen Paul vom Bautzener Landratsamt, das für Förderschulen zuständig ist, begründet das damit, dass die 15 Hortplätze, die es an der Außenstelle für Förderschüler gibt, belegt sind. Manuel bekommt deshalb einen im Haupthaus. Der Transport von der Schule zum Hort erfolgt per Taxi. Fahrzeit: etwa zehn Minuten.
„Das bedeutet für unser ohnehin schon unruhiges Kind eine zusätzliche Belastung“, ärgert sich Veronika Wiertellok. Sie hat deshalb versucht, im Wohnort einen Platz zu bekommen. Weil der Hort der Sohlander Grundschule komplett belegt ist, wendete sich Manuels Mutter an den Hort im Ortsteil Wehrsdorf, wo es freie Plätze gibt. „Aber dort will man Manuel nicht“, sagt seine Mutter.
Die Ablehnung sei von der Mitarbeiterin, die in der Gemeindeverwaltung für die Kitas zuständig ist, damit begründet worden, dass es den Tagesablauf störe, wenn der Junge erst spät aus Bischofswerda komme, wenn die anderen Kinder schon die Hausaufgaben fertig haben, erinnert sich Veronika Wiertellok. Ob das so gesagt oder nur falsch verstanden wurde, lässt sich derzeit nicht klären, da die Mitarbeiterin im Urlaub ist. Manuels Mutter fragt sich jedenfalls: „Möchte man vielleicht ein etwas schwieriges Kind einfach nicht nehmen?“
Kita-Chefin widerspricht vehement
Katja Reichel, Leiterin der Wehrsdorfer Kita, die von der Diakonie Löbau/Zittau betrieben wird, widerspricht vehement. Dass Manuel dort keinen Platz bekommt, habe objektive Gründe. „Es handelt sich um ein Integrationskind. Wir haben in unserem Hort aber leider keine Integrationsplätze.“
Madlen Paul vom Landratsamt bekräftigt, dass für Schüler, die einer sonderpädagogischen Förderung bedürfen, eine Betreuung in einem „normalen“ Hort nicht geeignet und ausreichend ist, „da dem erhöhten Betreuungs- und Förderungsanspruch dort nicht angemessen Rechnung getragen werden kann“. Sollte eine Kindereinrichtung im Raum Sohland die notwendigen Voraussetzungen für die Betreuung von Förderschülern schaffen, sei der Landkreis Bautzen gern bereit, mit dem Träger eine entsprechende Vereinbarung zu treffen. Momentan ist das aber nicht der Fall. Und so wird Manuel künftig nicht nur morgens und nachmittags, sondern auch mittags im Auto sitzen – wo er seinen Bewegungsdrang unterdrücken muss.