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Und sie bewegt sich doch nicht

Ende Mai sollte die Elbfähre in Niederlommatzsch wieder fahren. Warum daraus nichts wird.

Von Jürgen Müller
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Auf Trockendock: Die Fähre "Stolzenfels" muss länger in der Werft bleiben als geplant.
Auf Trockendock: Die Fähre "Stolzenfels" muss länger in der Werft bleiben als geplant. © Claudia Hübschmann

Diera-Zehren/Diesbar-Seußlitz. Die Touristiker in Niederlommatzsch und Diesbar-Seußlitz haben es nicht leicht. Erst mussten Gaststätten und touristische Einrichtungen wie der Elbepark Hebelei wegen der Corona-Krise schließen.  Jetzt kann endlich wieder geöffnet werden, doch es gibt ein neues, altes Problem. Es fehlen Gäste. 

Und zwar von der jeweils anderen Elbseite. Denn seit  Anfang März verkehrt die Personenfähre "Stolzenfels" zwischen Niederlommatzsch und Seußlitz nicht mehr.  Das Schiff musste zur aller fünf Jahre  vorgeschriebenen Landrevision. Am 5. März war das sogenannte Fährzeugnis ausgelaufen. Die Gemeinde Diera-Zehren, der das Schiff gehört, hatte bei der Schiffuntersuchungskommission in Magdeburg eine Verlängerung der Frist um sechs Monate beantragt. 

"Mit dieser Verlängerung hätten wir über den Sommer weiterfahren und dann im Herbst nach Ende der Saison sowohl das Schiff als  die Pontons  instand setzen können", sagt Herms Gruber von der Verkehrsgesellschaft Meißen (VGM), welche die Fähren betreibt.  Dann wäre man für die nächsten fünf Jahre auf der sicheren Seite gewesen, denn auch die Pontons müssen alle fünf Jahre saniert und instand gesetzt werden. Doch die Ausnahmegenehmigung wurde diesmal verweigert. Nur weil man wegen touristischen Zwecken weiterfahren wolle, sei kein Grund für eine Fristverlängerung, hieß es. 

Die Idee, die Fähre "Kötitz" aus Coswig vorübergehend nach Niederlommatzsch zu holen, ging nicht auf. Coswig verweigerte das. Die "Bosel", die ebenfalls Coswig gehört, darf keine Fährfahrten in Niederlommatzsch machen. Auch eine früher praktizierte Lösung funktioniert nicht mehr. Damals wurde die "Einheit" aus Riesa ausgeliehen. Dieses kleine Fährschiff ist aber inzwischen außer Dienst gestellt und wurde verkauft. Auch die "Riepro" aus Riesa kam nicht infrage. Die brauchen die Riesaer selbst. Die wurde zuletzt im Winter ausgeliehen. In dieser Zeit ist in Riesa der Fährbetrieb eingestellt.

Erst Mitte Juni wieder Fährbetrieb

Nach ursprünglichen Planungen sollten Fähre und Pontons Ende Mai rechtzeitig vor Himmelfahrt und Pfingsten wieder einsatzfähig sein. Wie Bürgermeisterin Carola Balk (parteilos) zur Gemeinderatssitzung informierte, wird die Fähre wohl erst Mitte Juni von einem Elbufer zum anderen wechseln. Für Jochen Günther, der einen Weinhof in Niederlommatzsch betreibt, ist das unverständlich. "Nicht nur, dass die Gesundheitspolitik der Vergangenheit den Geschäftsbetrieb der Gewerbetreibenden auch in unserer Gemeinde lähmte, war es offenbar nicht möglich, in der Corona-Pause die technischen Voraussetzungen an der Fähre für einen zügigen Saisonstart zu organisieren", sagt er.  

Mittlerweile häuften sich bei ihm die Anfragen, ob es möglich sei, nach einem Essen auf der rechten Elbseite, nach einem Spaziergang und der notwendigen Elbüberfahrt bei ihm ein Gläschen Wein zu trinken. Es gebe die Gefahr, dass sich bei den abgewiesenen Gästen die Erkenntnis verfestige,  es gäbe in Niederlommatzsch keine funktionierende Personenfähre mehr und diese auch in Zukunft wegblieben. 

Betroffen ist auch der Elbetierpark Hebelei. "Gerade jetzt, wo der sanfte Tourismus im Elbland wieder erwacht, muss die Infrastruktur stimmen. Und gerade jetzt fehlt die Fähre", sagt Betreiber Sven Näther. Immer, wenn die Fähre nicht übersetzt, mache sich dies deutlich in den niedrigeren Besucherzahlen des Elbtierparkes bemerkbar. Vor allem fehlten die Besucher aus dem Großenhainer Raum.  

"Es wäre schon gut gewesen, wenn die Fähre zu Himmelfahrt und zu Pfingsten wieder gefahren wäre", sagt auch Erik Wagner, der Betreiber der "Elbklause" in Niederlommatzsch. In der Gaststätte macht sich der fehlende Fährbetrieb ebenfalls bemerkbar. "Gerade zu Pfingsten, wenn viele Camper mit dem Wohnmobil durch die Elbweindörfer fahren, wollen diese mit der Fähre übersetzen,  um in die Hebelei zu gehen. Die werden jetzt enttäuscht vor der Anlegestelle stehen", so der Gastwirt. 

Doch er blickt lieber optimistisch in die Zukunft. "Als im Vorjahr fast ein Jahr lang am Radweg gebaut wurde, direkt vor unserer  Haustür, war das auch nicht schön. Jetzt aber freue ich mich, dass der Weg fertig ist. Und besser, die Fähre ist jetzt auf der Werft, als dass sie kaputt geht und überhaupt nicht mehr fahren kann", sagt Erik Wagner. 

Jochen Günther hingegen hat an die Bürgermeisterin geschrieben. "Sie würden die touristische Bedeutung wiederbeleben und unserer Region einen Schub geben, wenn Sie auch das Problem des Fährbetriebes lösen könnten", heißt es darin.

Doch an der Bürgermeisterin liegt es nicht, dass die Fähre nicht fährt, sagt Herms Gruber von der VGM. Es habe verschiedene Probleme gegeben, die auch mit den Einschränkungen der Corona-Krise zusammenhängen. So komme die Farbe für die Pontons aus Polen. Die Grenze aber war zeitweise geschlossen. Der Gutachter, der das Schiff unter die Lupe nehmen muss,  kommt aus Berlin. Auch er konnte nicht reisen. Die Fähre konnte erst am 5. Mai aus dem Wasser gehoben und in die Werft nach Meißen gebracht werden, wo sie jetzt überholt wird. Dabei habe sich ein Motorschaden herausgestellt.  

"Ich hoffe, dass die Fähre am 15. Juni wieder im Einsatz ist", sagt Herms Gruber. Sicher ist das aber noch nicht. Denn es gibt ein weiteres Problem. Die Elbe hat derzeit einen Wasserstand von 82 Zentimetern. "Viel tiefer darf er nicht mehr fallen. Ansonsten ist der Weg vom Kran, der die Fähre ins Wasser hebt, bis zur Elbe zu weit", so Gruber. Ist das Schiff erst mal im Wasser, besteht vorerst keine Gefahr, dass der Betrieb eingestellt werden muss. Bis 55 Zentimeter Wasserstand ist der Fährbetrieb möglich. Bis es soweit ist, werden die insgesamt zwölf Fährleute und Schiffsführer anderweitig eingesetzt. Einige sind Busfahrer, zwei helfen derzeit in Strehla aus.

Wagenfähre ist Illusion

Einst gab es mit der Wagenfähre zwischen Zehren und Kleinzadel eine Alternative, wenn die Personenfähre in Niederlommatzsch ausfiel. Doch die Wagenfähre verkehrt schon lange nicht mehr, hat seit mehreren Jahren kein Fährzeugnis mehr. Um dieses wieder zu erlangen, wären Kosten von rund 340.000 Euro nötig, sagt Herms Gruber. So müsste die Fähre nach Aken geschleppt werden, was allein 20.000 Euro koste.  Der Anker und die Kette müssten komplett raus, die Fährstelle müsste entkiest und die Pontons vollkommen erneuert werden. Ein Ponton schlägt mit rund 70.000 Euro zu Buche. 

Hinzukommen die laufenden Betriebskosten. Zwar hatte sich ein Sponsor gefunden, der jährlich dafür 20.000 Euro zahlen wollte.  "Das ist zwar schön, deckt aber nicht mal die Personalkosten für einen Fährmann", sagt Herms Gruber. Die restlichen Kosten hätten Landkreis und Gemeinde zahlen müssen. Dass die Wagenfähre jemals wieder in Betrieb geht, gilt deshalb als ausgeschlossen.