Unerwartete Feuertaufe

Hoyerswerda. Viel Gelegenheit zum regulären Einarbeiten habe er nicht gehabt, sagt Robert Rys. Seit Anfang März ist er der neue Geschäftsführer der Lausitzer Werkstätten in Hoyerswerda. In seiner vierten Arbeitswoche musste er alle Mitarbeiter mit Behinderung nach Hause schicken. So hatte es das Land Sachsen in den Regelungen zur Eindämmung von Covid-19 angeordnet. Von den 560 Frauen und Männern der Belegschaft betraf das die allermeisten. Bleiben durften neben der Verwaltung nur die Gruppen- und Fachanleiter sowie der sozialmedizinische Dienst, sprich die Betreuer. Alles in allem haben diese etwas mehr als hundert Kollegen seither den Betrieb aufrecht erhalten, berichtet Robert Rys: „Er läuft aber auf Sparflamme.“
Dringliches wird erledigt
Nicht verschiebbare Aufträge sollten, so gut es eben ging, abgearbeitet werden. Das betrifft nicht nur die Grünpflege zum Beispiel im Auftrag der Stadt oder des Seenland-Klinikums, sondern etwa auch die Montage von Schaltschränken für die beiden Anlagenbauer Yados und Pewo oder die Herstellung von Steckverbindungen für Ludwig-Leuchten. Mit weniger Mitarbeitern, so Robert Rys, bedeut das durchaus eine höhere Arbeitsbelastung. Nicht zu schließen waren auch Bereiche, die als systemrelevant gelten. Im Betrieb blieben also die Küche und die Wäscherei, ebenso der Förderbereich für Menschen mit schwersten Behinderungen. In Kühnicht bei der Tochterfirma Integra wurden weiterhin Pilze gepflegt und geerntet. Die Einschränkungen der Mitarbeiter dort begrenzen sich auf Schädigungen des Gehörs, womit sie nicht per se zu Covid-19-Risikogruppen zählen. Ansonsten zog an allen Produktionsstandorten der Lausitzer Werkstätten deutlich mehr Ruhe ein – nicht nur wegen der Stilllegung der meisten Arbeitsareale. „Wegen der aktuellen Corona-Pandemie gilt ab sofort Besuchsverbot für alle Bereiche der Lausitzer Werkstätten gGmbH“, ist an den Türen angeschrieben.
Zurück in gewohnte Abläufe
Robert Rys sagt, er habe ein paar schlaflose Nächte gehabt, allerdings nicht so sehr aus Sorge. Er habe binnen Kurzem einfach eine Unmenge zu lesen gehabt. Dinge, für die im Normalfall etwas mehr Zeit gewesen wäre, mussten nun rascher erledigt werden. Das Team half. „Ich habe wirklich gute Leute, die auch gute Berater sind“, sagt der frischgebackene Geschäftsführer. Auch an der finanziellen Front sind die Sorgenfalten zumindest nicht übergroß. Behindertenwerkstätten werden über den Kommunalen Sozialverband, die Kranken- und Pflegeversicherungen finanziert. „Die Kostenträger lassen uns nicht im Regen stehen“, sagt Robert Rys dazu. Ansonsten gebe es eigentlich nur Dinge, die, wie er es nennt, sachlogisch seien, sowie die recht klaren Vorgaben des Gesetzgebers.
Freilich: Die – so heißen sie amtlich – betreuten Mitarbeiter möchten schon gern zurück in den für sie gewohnten Arbeitsalltag. „Es gibt zahlreiche Nachfragen. Vielen fällt die Decke auf den Kopf, und sie wollen gern wieder zu uns kommen“, so Robert Rys. Schrittweise wird das nun auch ermöglicht. Vor gut zwei Wochen zum Beispiel ist der Berufsbildungsbereich wieder aktiv geworden, der sich um die Ausbildung von mehr als 40 jungen Leute kümmert. Sie bekommen Aufgaben nun in Papierform nach Hause geliefert. Wiedereröffnet worden ist vor ein paar Tagen auch die Fahrradwerkstatt an der Bautzener Allee – auf freiwilliger Basis. Drei Mitarbeiter haben sich bereiterklärt, den Kundenservice wieder zu gewährleisten. Und nach den Wochen der Schließung, erzählt der Werkstätten-Chef, sie die Nachfrage durchaus groß.
Kommen regelmäßige Tests?
Ebenfalls auf freiwilliger Basis kehren nun in dieser Woche die ersten 50 Kollegen an ihre Arbeitsorte zurück. Nach den Worten von Robert Rys lässt man dabei größtmögliche Vorsicht walten. Kollegen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Lungenkrankheiten oder Diabetes müssen weiterhin zu Hause bleiben. Das bedeutet auch, dass für jeden Einzelnen, der wieder arbeiten kommen möchte, Abstimmungen mit den Hausärzten sowie den jeweiligen Gruppenleitern zur entsprechenden Risiko-Analyse erforderlich sind. „Es geht also nur nach und nach“, erklärt Robert Rys. Er erzählt zudem von regelmäßigen Informationen, die an die Eltern, den Werkstattrat und den Betriebsrat gehen. Und wie überall kann man auch in den Lausitzer Werkstätten aktuell kaum langfristige Pläne machen, weil sich Vorgaben rasch ändern. Robert Rys rechnet jedoch damit, dass bis zur Verfügbarkeit eines Anti-Sars-CoV-2-Impfstoffes in Behindertenwerkstätten regelmäßige Viren-Tests obligatorisch werden könnten.
„Natürlich hätte ich mir meinen Einstieg hier etwas anders gewünscht“, sagt der Geschäftsführer, der zuvor die Geschicke der Integra geleitet hat. Aber, fügt er an, er sei ein nüchterner Mensch, und die Dinge seien so, wie sie seien. Man könne für die ersten Wochen in seinem neuen Job durchaus von einer Feuertaufe sprechen.