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Ungebremster Autoklau

So hatte sich Familie Wehner aus Pirna ihren Ausflug nach Usti nad Labem (Aussig) nicht vorgestellt. Der endete im April statt beim Mittagessen auf dem Polizeirevier. „Unser Auto stand auf dem Kaufhaus-Parkplatz.

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Von Gabriele Schrul

So hatte sich Familie Wehner aus Pirna ihren Ausflug nach Usti nad Labem (Aussig) nicht vorgestellt. Der endete im April statt beim Mittagessen auf dem Polizeirevier. „Unser Auto stand auf dem Kaufhaus-Parkplatz. Bewacht war der, wir wollten auf Nummer sicher gehen“, erinnert sich Jürgen Wehner an den Unglückstag. Als er nach zwei Stunden zurückkehrte, traute er seinen Augen nicht. Vom Audi war nichts mehr zu sehen. Der Diebesakt steht jetzt in den Aussiger Polizeiunterlagen. Gebracht hat die Anzeige bisher nichts, der Audi tauchte noch nicht wieder auf. „Zuhause haben wir es auch gleich unserer Polizei und der Versicherung gemeldet. Am Ende hat mich der Ausflug satte 4 000 Euro Verlust gekostet.“

Unweigerlich höher als der materielle Schaden ist jedoch der moralische einzustufen. Denn die Enttäuschung der Betroffenen sitzt tief. Auch bei Familie Losch aus Sebnitz. Sie war im März am Jeschken bei Liberec (Reichenberg). Hier wurde ihr VW (Baujahr 1996) vom Parkplatz gestohlen. „Wir sind gern und oft in Tschechien“, erzählt Richard Losch. Noch nie passierte ihm so etwas, aber jetzt sei ihm alles vergangen. So schnell jedenfalls wird er nicht wieder einen Fuß über die Grenze setzen. „Dass es ausgerechnet jemand auf meine Kiste abgesehen hat“, wundert er sich. Schließlich sei sein Auto nur Mittelklasse und schon ziemlich alt.

Geringe Aufklärungsquote auch in Nordböhmen

Das allerdings spielt so gut wie keine Rolle. Denn egal ob Autoklau in Tschechien oder Deutschland – bei den Typen sind Diebe überhaupt nicht wählerisch. Nicht nur Luxuswagen verschwinden, sogar Trabis, erfuhr Familie Losch auf der Polizeiwache. Gefragt sind trotzdem vor allem deutsche Fabrikate. Gerade Golfs sind sehr populär, weil sie nicht im Straßenverkehr auffallen. Und wenn ein relativ teures und neues Fahrzeug verschwindet, so Christoph Meyer, Polizeihauptkommissar im Bundesgrenzschutzamt Pirna, dann handelt es sich meist um einen gezielten Auftragsdiebstahl. Gerade im Grenzgebiet ist die Automafia sehr aktiv. Meist gehen die Diebe „klassisch“ vor. Das heißt: Die Autos werden in der Nähe von großen Hotels aufgebrochen und entwendet. Gefährdet sind vor allem jene Autos, die nicht über die neueste Generation von Wegfahrsperren verfügen. Ältere lassen sich mittels Scanner für Profi-Diebe leicht überwinden. Ist ein Auto geknackt, dann wird es kurzgeschlossen oder komplett auf einen Hänger geschoben.

Ob Wehners und Loschs ihr Auto jemals wieder bekommen, ist mehr als fraglich, denn als „sehr gering“ bezeichnet die tschechische Polizei die Aufklärungsquote. Im vergangenen Jahr verschwanden gut 1 500 Volkswagen allein in Nordböhmen. Doch nur etwa jedes fünfte gestohlene Auto findet sich irgendwann wieder an. Hingegen bekommt im Landkreis Sächsische Schweiz und im Weißeritzkreis momentan jeder zweite Betroffene seinen fahrbaren Untersatz wieder. „Autodiebstahl ging von 2001 zu 2002 deutlich zurück“, sagt Polizeisprecher Gerhard Wellner. Im vorigen Jahr wurden 69 Fälle gemeldet, das Jahr davor noch 276. Gründe dafür sieht er in der immer besseren Ausstattung der Autos. Insofern rät Wellner auf alle Fälle zu technischen Raffinessen, denn nicht jeder Täter ist im Autoknacken perfekt. Ihm sei kein Fall bekannt, bei dem eine elektronische Wegfahrsperre durch technische Manipulation überwunden wurde.

Zahl von Autoaufbrüchen vergleichsweise hoch

Ein weiterer Grund liege möglicherweise in der Aufhebung der Visumpflicht für einige Länder, wie neuerdings Rumänien. Bürger von da könnten jetzt ganz normal mit Ausweis als Touristen nach Deutschland mit dem Zug einreisen. Warum also noch Autos klauen? Diejenigen, die es dennoch tun, benötigen Autos zur Weiterreise. Hauptrichtungen seien momentan Thüringen, Hessen und Brandenburg. „Den Tätern werden wir oft nicht habhaft, aber die Autos finden sich an.“ Hingegen zeige die Zahl von Autoaufbrüchen, dass Diebe nichts unversucht lassen. Immerhin waren es 2002 noch 158. Oft stehen die Täter unter Zeitdruck, bekommen sie eins nicht auf, probieren sie das nächste. Und warum lassen sie es stehen? „Entweder die Täter sind scharf auf Sachen, die drin sind, oder sie bekommen das Auto nicht in Gang“, sagt Wellner.

Größere Erfolge erhoffen sich Polizei und Grenzschutz jetzt durch eine enge Zusammenarbeit mit den Kollegen im Nachbarland. Seit kurzem existiert am Grenzübergang Bahratal–Petrovice (Peterswald) eine Kommandostelle. Hier sind deutsche und tschechische Beamte rund um die Uhr im Einsatz, um schneller eingreifen zu können.