Von Manfred Müller
Eine riesige offene Blutblase blieb an der rechten Handfläche des Colditzer Kraftsportlers Heiko Knabe zurück, als er sich am Samstag nach seinem Weltrekordversuch von der Reckstange löste. Mit 47 Klimmzügen in einer Minute hatte er zwar den offiziellen Guinness-Weltrekord um einen Zug übertroffen, dennoch konnte er sich nicht als neuer Champion feiern lassen. Der Grund: Zunächst muss die auf Video dokumentierte Aktion in London von der Guinness-Jury begutachtet werden. Die könnte den einen oder anderen Klimmzug wegen technischer Mängel wieder abzwacken. Oder sie erklärt den Briten Sean Cole zum neuen Rekordhalter. Der hatte sich schon einige Wochen früher an der Spitzenmarke versucht und ebenfalls 47 Klimmzüge geschafft. Allerdings liegt auch für diese Aktion noch keine offizielle Jury-Bewertung vor. So verließen die Athleten und die Besucher des Kraftsportturniers die BSZ-Sporthalle mit einem Gefühl der Ungewissheit. Ist Riesa nun die Stätte, an der der Klimmzug-Minutenweltrekord purzelte? Vielleicht.
Der Fitness-Studio-Besitzer Heiko Knabe gehört mit 46 Jahren zur alten Garde der Kraftsport-Vierkämpfer. Deren Konkurrenz umfasst neben dem Klimmziehen die Disziplinen Beugestütze, Schlussdreisprung und Kniebeugen unter Last. Sie ging aus den DDR-Wettbewerben „Stärkster Lehrling“, „Stärkster Student“ und „Stärkster Mann der Nationalen Volksarmee“ hervor, und die Titanen von damals sind heute fast alle noch in der Szene aktiv. Riesa spielt in der ostdeutsch-dominierten Sportart eine besondere Rolle. Hier lebt der Kraftsport-Enthusiast Werner Jentzsch, der Wettkämpfe einberuft und im Frühjahr sogar eine Deutsche Meisterschaft organisierte. Jentzsch kann sich nicht mehr erinnern, wer auf die Idee mit dem Weltrekordversuch kam. „Wir haben zusammen gesessen und waren uns plötzlich alle einig, dass Heiko es schaffen kann“, sagt er. Knabe selbst war sich über ein Handicap im Klaren: Er trainiert zu Hause an einer starren Reckstange, den Wettkampf in Riesa musste er aber an einem Spannreck absolvieren. Das Reck federt unter dem Körpergewicht der Athleten stark nach, so dass man leicht aus dem Rhythmus kommt. Genau das passierte Knabe am Sonnabend, und zwar gleich zweimal, was der Kraftsport-Recke in der Wettkampfanspannung mit einem lauten „Scheiße“-Schnaufer kommentierte. „Schade – beim Training habe ich 51 bis 52 Züge pro Minute geschafft“, erklärte er nach dem Rekordversuch.
Dass es mit dem Weltrekord möglicherweise nicht geklappt hat (Knabe absolvierte sogar 50 Züge, drei erkannte ihm aber bereits der Riesaer Kampfrichter als nicht ganz sauber ausgeführt ab), verdarb dem Colditzer nicht die Kampflaune. Bei der nächsten Disziplin schaffte er unglaubliche 98 Beugestütze in zwei Minuten – trotz seiner verletzten Hand.