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Ungewöhnliche Erbfolge

Tilo Michael führt den Hof seiner Nachbarn weiter. Beide profitieren davon.

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Von Friederike Schaible

Was wird aus Haus und Hof, wenn es keine Erben gibt? Arno und Christine Michael wollten das nicht dem Zufall überlassen. Sie haben ihren Dreiseitenhof vor sieben Jahren dem Sohn des Nachbarn anvertraut. „Ein Fachwerkhaus war mein Traum“, sagt Tilo Michael. Dass er den gleichen Nachnamen hat, ist reiner Zufall. Aber den Hof liebte er schon als Kind und spielte dort oft.

Über ein Jahr mussten Tilo und seine Frau Susanne um einen Kredit kämpfen, der es dem gelernten Schreiner und der Töpferin ermöglichte, das ehemalige Leibgedinge mit Stall und Bergeraum bewohnbar zu machen. „Einen Neubau hätten die Banken sofort unterstützt, aber am Erfolg der Restaurierung zweifelten die meisten“, sagt Tilo Michael.

Heute befinden sich in der oberen Etage des Fachwerkhauses zwei Wohnungen: Eine bewohnen Tilo und Susanne mit ihrem dreijährigen Sohn Noah, die andere Tilos Eltern. „Mein Schwiegervater ist die treibende Kraft auf dem Hof, ohne den wäre vieles nicht möglich“, sagt Susanne Michael. So hat Hund Harras mittlerweile über hundert Gefährten. Die Katzen, Enten, Ziegen, Schafe, Kampfhähne und Tauben versorgt Manfred Michael.

Energie geben und nehmen

Im Erdgeschoss hat Susanne Michael seit einem Jahr ihre Töpferei eingerichtet. Noch arbeitet sie hier aber erst nach Feierabend. Ihre Töpferwaren sind gefragt. Auch Kurse hat sie schon gegeben. Aber Scheibentöpfer haben es derzeit schwer in Sachsen. Viele mussten Insolvenz anmelden. Deshalb kann Susanne auch ihr Meisterstudium nicht abschließen. Den praktischen Teil hat sie absolviert. Aber für die Theorie findet sich keine Schule.

Ihr Geld verdient sie auf dem Eschdorfer Schumannhof. In der Werkstatt für behinderte Menschen betreut sie die handwerkliche Arbeit. Einen weiteren Arbeitsplatz hat sie in Elena Zürns Keramikatelier „Tonzeit“ in Weißig. „Das alles ist möglich, weil unser Noah von allen auf dem Hof liebevoll betreut wird“, sagt sie.

Auch Tilo Michael ist ein Energiebündel. Er arbeitet als Werklehrer in der Schule für Erziehungshilfe und Lernförderung „Janusz Korczak“. Seit September studiert er nebenher an der Evangelischen Hochschule für Sozialarbeit. Zum Ausgleich trainiert er regelmäßig im Boxverein. Kirchvorsteher ist er auch und Bauherr sowieso. Zurzeit wird an der Scheune gearbeitet.

Im Haupthaus wohnt Christine Michael mit ihrer Schwägerin Margarete Schreiber und deren Tochter Anita. Anita, die mit Epilepsie leben muss, wird von Tilo Michael betreut. Arno Michael hat leider nicht mehr erlebt, wie sein Hof alte Schönheit zurückgewinnt. Aber seine Frau Christine hat die Entscheidung nicht bereut: „Ich bin froh. Die haben es schön gemacht.“