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Unikate aus dem Knast

An seiner Arbeitsstelle ist Axel Schlieben immer nur Gast. Morgens muss er sich an der Pforte anmelden. Seine Dokumente werden geprüft, er bekommt jeden Tag einen neuen Besucherausweis. Was wie eine Schikane klingt, ist für den 40-jährigen Vertriebsfachmann inzwischen Routine.

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Von Christian Spahr

An seiner Arbeitsstelle ist Axel Schlieben immer nur Gast. Morgens muss er sich an der Pforte anmelden. Seine Dokumente werden geprüft, er bekommt jeden Tag einen neuen Besucherausweis. Was wie eine Schikane klingt, ist für den 40-jährigen Vertriebsfachmann inzwischen Routine. „Ich empfinde kein beklemmendes Gefühl mehr“, sagt der Dresdner. Seine Arbeitsstelle – das sind die sächsischen Gefängnisse. Doch Schlieben ist kein Häftling auf Freigang und auch kein Wächter. Seit zwei Wochen hat er einen bundesweit einmaligen Auftrag – er kümmert sich als Außendienstler hauptberuflich um die Vermarktung von Knastprodukten.

„Mit dieser Idee ist Sachsen Vorreiter“, sagt Schlieben, der von einem Büro in Riesa aus die Haftanstalten im ganzen Freistaat bereist. Erst Bautzen, dann Dresden; heute Chemnitz, morgen Plauen und später Zwickau. Sein Kalender ist voll mit Kennenlern-Terminen: „Ich mache mir ein Bild von den Gefängnis-Werkstätten.“ Jeder zweite sächsische Häftling verbringt seine Zeit hinter Gitter nicht nur vor dem Fernseher, sondern auch mit bezahlter Arbeit. Sie waschen Autos und pflegen Grünanlagen – und stellen Waren her, die laut Schlieben den Vergleich mit der Industrie nicht zu scheuen brauchen: „Das ist hohe Qualität, einwandfrei verarbeitet“, wirbt er für Räuchermännchen aus dem Knast in Zwickau.

Gewiss, die Holzfiguren in handgemalten Sträflings- und Wächter-Anzügen kämen nicht an Seiffener Volkskunst heran – „doch es sind Unikate, mit viel Liebe hergestellt“, betont Schlieben. So viel Feingefühl traut manch einer den Inhaftierten gar nicht zu. „Die schlagen bestimmt alles kurz und klein“, ist eines von vielen Vorurteilen, mit denen Katrin Seidel zu kämpfen hat.

„Die Häftlinge merken, sie können was Legales“

Sie ist als Referatsleiterin im Justizministerium für die Knast-Produktion zuständig. Die Häftlinge würden unterschätzt, sagt sie. Für viele sei es „ein tränenrührendes Erlebnis“, wenn sie in der Werkstatt merken: Ich kann ja was. Was Legales. „Nur wegschließen bringt nichts“, sagt Frau Seidel, die ihre Gäste an einem Tisch aus dem Bautzener Vollzug empfängt. „Vom Rumsitzen werden sie nicht besser.“

Um noch mehr Häftlinge zu beschäftigen – zum bescheidenen Staatslohn von durchschnittlich 210 Euro im Monat – soll jetzt Axel Schlieben neue Abnehmer finden für sächsische Gefängniswaren. Je mehr Kunden die Justiz hat, desto mehr Arbeitsplätze hinter Gitter sind möglich. „Eigentlich sollte jeder Häftling arbeiten“, sagt Frau Seidel. Das Gesetz will es so, doch bisher gibt es für die 4 000 Insassen der zehn sächsischen Gefängnisse nur knapp 2 200 Jobs. Natürlich verspricht sich Frau Seidel von der Marketing-Offensive auch zusätzliche Einnahmen für die Landeskasse. Rund sechs Millionen Euro konnte der Freistaat im letzten Jahr durch die Leistungen der Häftlinge verbuchen, darin sind Dienste für Behörden mitgezählt. Doch das Geschäft lief auch schon besser: „2000 war ein gutes Jahr, da hat die Bautzener Werkstatt Möbel für 770 Haftplätze in Dresden hergestellt.“

Mit Axel Schliebens Hilfe, so hofft Justizbeamtin Seidel, kann das Ministerium den Absatz von Büromöbeln, Ledertaschen und Schaukelpferdchen erhöhen. Auch Fenster und Schachbretter werden in sächsischen Gefängnissen produziert. „Ich rede vor allem mit Unternehmern über die Gefängnisproduktion“, sagt Schlieben.

Firmen können direkt in der Anstalt produzieren lassen – nach ihren Wünschen, zu günstigen Konditionen. Die Firma Plasticart lässt Spielzeugautos von Knast-Insassen fertigen, und auch ein Lampenhersteller schätzt deren Fingerfertigkeit. Solche Kooperationen seien wichtig für einen guten Draht zur Wirtschaft, sagt Expertin Seidel – „die verstehen uns sonst als staatliche Konkurrenz.“ Das sei nicht der Fall, versichert sie: „Wenn es uns nicht gäbe, würden die Hersteller in Polen produzieren lassen.“

Dank des Internets kommen private Interessenten bald leichter an Waren aus dem Knast. „Wir bauen einen Laden im Netz auf“, sagt Frau Seidel. Justizminister Thomas de Maizière muss noch den Startschuss geben. „Wir haben aber schon ein Sommer-Angebot“, sagt Axel Schlieben. Das Dresdner Gefängnis verkauft massive handgeschmiedete Kohle-Grills, mit Haken zum Aufhängen eines Gulaschkessels, für 107 Euro. Wem das zu viel ist, der kann bis Weihnachten warten – Räuchermännchen gibt es schon ab 22 Euro.

Kontakt: Justizvollzugsanstalt Dresden, Hammerweg 30, Tel. 0351/2 10 30