Von Henry Berndt
Das kann jedem passieren: Einmal ohne Schlüssel aus dem Haus gerannt und kurze Zeit später steht man Hilfe suchend davor. Dass in einem solchen Fall Schlüsseldienst nicht gleich Schlüsseldienst ist, musste vergangene Woche einer junge Frau aus Radebeul erfahren.
Am Freitagabend gegen 20 Uhr ließ sie versehentlich ihre Wohnungstür in der Wasastraße ins Schloss fallen. Voller Aufregung rief sie den Schlüsseldienst, laut Telefonbuch von der Paradiesstraße – ein Weg von fünf Minuten. „Ich wollte bewusst einen lokalen Dienst nutzen, um die Kosten gering zu halten“, sagt sie.
„Schlüsel“ steht vor Schlüssel
Kurze Zeit später war Rudi Knese vor Ort und öffnete die Tür innerhalb weniger Sekunden. Für seinen Einsatz berechnete er 178,50 Euro, davon allein 120 Euro für die Türöffnung und 30 Euro für die Anfahrt. Zahlen sollte sie sofort und in bar. „Am liebsten hätte ich ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen“, sagt die Frau. Doch in ihrer Not willigte sie in die Reparatur ein.
„Solche Wucherpreise sind leider kein Einzelfall“ sagt Jens Hoffmeister, selbst Schlosser in Coswig, bei dem die Notöffnung zur selben Zeit und trotz der längeren Anfahrt nur 70 Euro gekostet hätte. Die Schwarzen Schafe unter den Anbietern würden häufig nur lokale Adressen und Rufnummern vortäuschen und sich dazu durch Tricks die vorderen Plätze im Telefonbuch sichern. Und tatsächlich: Der Schlüsseldienst von der Paradiesstraße ist unter dem Eintrag „Schlüsel“ mit nur einem „s“ zu finden. Vor der Straße steht eine Internetadresse: www.deutsche-schluesseldienst-zentrale.de. Die Firma sitzt in Düsseldorf, auf der Quittung von Rudi Knese steht am Ende eine Adresse in Jessen (Sachsen-Anhalt).
Die gleiche Firma besitzt laut Telefonbuch einen weiteren Standort in Radebeul, dazu je zwei in Coswig und Radeburg, drei in Weinböhla und sogar fünf in Moritzburg. Alle Handynummern werden jedoch auf die gleiche zentrale Nummer weitergeleitet. Ähnliches geschieht bei findigen Unternehmen wie „A. A!A. Absicherung aller Art“ oder „A.A.A.A.A.A. Schlüssel“. „Immer wieder tauchen bei solchen Anbietern Adressen auf, die es gar nicht gibt“, sagt der Radeburger Metallbaumeister Torsten Finn. Schon mehrfach habe er erfolglos versucht, dagegen vorzugehen.
„Im Notfall sollte unbedingt ein Schlüsseldienst angerufen werden, der tatsächlich im Ort ansässig ist“, rät Marion Schmidt von der Verbraucherzentrale Sachsen. „Außerdem ist es unerlässlich, direkt am Telefon nach den Kosten zu fragen und sie gegebenenfalls mit der Konkurrenz zu vergleichen.“
Unnötige Schlosszerstörung
Die wirklich lokalen 24-StundenSchlüsseldienste in der Region lassen sich an einer Hand abzählen. Neben den Betrieben von Klaus Hoffmeister in Coswig und Torsten Finn in Radeburg gehört auch das Geschäft von Roberto Weigel in Radebeul dazu (siehe Kasten).
„Die im vorliegenden Fall bezahlten 180 Euro sind zwar bitter, aber noch längst nicht der Gipfel“, sagt Weigel. Oftmals kämen Kunden zu ihm und klagten über horrende Rechnungen über bis zu 420 Euro. „Häufig wird sogar das Schloss zerstört, obwohl das gar nicht nötig ist“, sagt Weigel. Ist die Tür tatsächlich nur ins Schloss gefallen und der Monteur will sie dennoch aufbrechen, so kann und sollte er auf jeden Fall ohne Bezahlung weggeschickt werden, rät Marion Schmidt von der Verbraucherzentrale.
Ist das Geld erst einmal bezahlt, sei es jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit verloren. „Das ist eben Marktwirtschaft“, sagt Frank Kühne, Obermeister der Metallinnung Meißen. Feste Sätze gäbe es in dem Gewerbe nicht, noch nicht einmal grobe Richtwerte. Wer auf einen Vergleich verzichte, sei somit selbst schuld. „Bei aller Aufregung – so dringend ist es meist dann doch nicht“, so Kühne.