Von Christian Eißner
Krachend stürzt die alte Fichte zu Boden, die regennassen Äste ihrer Krone schwingen noch einmal kurz nach, dann ist für ein paar Minuten Ruhe im Wald. Die Kettensägen schweigen. „Guck mal“, sagt einer der Waldarbeiter, „wir haben einen ganz neuen Aussichtspunkt angelegt. Man kann bis nach Sebnitz schauen.“
Auf der Waitzdorfer Randebenheit haben die Forstleute der Nationalparkverwaltung gestern und vorgestern eine Fichte nach der anderen gefällt, insgesamt 100 Festmeter Holz, rund 0,2 Hektar Fläche. Es sind schöne, starke Fichten, die jetzt am Boden liegen: 80 Jahre alt, grüne Kronen, unversehrte Rinde. Hier soll der Borkenkäfer drin sein? Frank Wagner, der Revierförster, nickt schweigend, bohrt sein Messer unter die Rinde des am Boden liegenden Baumes und schält ein kuchentellergroßes Stück ab. Als er es umdreht, sieht man das wimmelnde Leben: Unzählige kleine weiße Maden haben die typischen Borkenkäfergänge unter die Rinde gefressen; es behagt ihnen sichtlich wenig, jetzt plötzlich Licht und Nieselregen ausgesetzt zu sein.
Es ist ein Kampf an vielen Fronten. Ständig entdecken die Revierleiter auf ihren Rundgängen neue Borkenkäfernester und rufen nach den Arbeitern mit der Kettensäge. Weil das Personal kaum reicht, bleiben andere Tätigkeiten im Wald derweil liegen. Allein im Hohnsteiner Revier sind in den vergangenen Wochen Hunderte Bäume gefallen, nicht nur im Waitzdorfer Gebiet, sondern auch auf dem Brand und im Polenztal. Von Aussichtspunkten aus sucht Frank Wagner mit dem Fernglas die Kronen der Bäume ab, gelb verfärbte Nadeln sind ein Alarmsignal. Auf seinen Rundgängen schaut er, ob Holzmehl am Fuß der Stämme liegt. Das ist ein sicheres Zeichen für Borkenkäferbefall und damit das Todesurteil für den Baum, auch wenn er dem Laien noch völlig gesund erscheint.
In der Sächsischen Schweiz trifft es vor allem Fichten und Lärchen. Die in den vergangenen Jahrzehnten angelegten Monokulturen sind besonders anfällig, und der trockene Juli tat dieses Jahr ein Übriges. Er war ein Fest für die Käfer.
Wenn der Borkenkäfer einen gesunden Baum anbohrt, tritt Harz aus, in dem das kleine schwarze Insekt erstickt. Hat der Baum allerdings nicht genügend Wasser und fliegen die Käfer in großer Zahl an, reicht seine Harzproduktion nicht aus. Ein paar Käfermännchen, die immer die Vorhut bilden, überleben und locken mit Duftstoffen Weibchen an. Nach sechs bis zehn Wochen begibt sich dann eine neue Käfergeneration auf die Suche nach geschwächten Bäumen.
Vor dem fertigen Käfer kommt allerdings die Larve, die sich unter der Rinde dick und fett frisst. Und das ist die Chance für die Förster: Die Bäume werden gefällt, samt Larven aus dem Wald gezogen und ab ins Sägewerk. Das nasse und kühle Wetter ist dabei ein Segen für die Forstleute, da sich die Entwicklung der Larven verzögert.
Revierleiter Frank Wagner geht jetzt jeden Tag auf die Suche nach befallenen Bäumen. Er weiß nicht, wie viele er noch markieren muss für die Kettensäge, denn die Schäden zeigen sich erst nach und nach. Die alten Fichten machen derweil Platz für eine neue Generation Mischwald. „Das Käferproblem zeigt, wie nötig der Waldumbau ist“, sagt der Förster.